: Deutschkurse als Luxusgut
Volkshochschule will durch Einsparungen bei ihrer eigentlichen Klientel Kurse für Zahlungskräftige finanzieren ■ Von Elke Spanner
Eine Volkshochschule dient dem Volk – auch und gerade den „bildungsfernen Schichten“. Es ist erst ein Jahr her, daß der Hamburger Senat dies schwarz auf weiß in einer Mitteilung an die Bürgerschaft betonte. Doch das politische Ziel ist das eine, dessen Finanzierung offenbar das andere, wie der Fachbereich „Deutsch als Fremdsprache (DaF)“der Volkshochschule (VHS) nun erfahren muß. Ihm soll der Etat für das laufende Jahr um 100.000 Mark und folglich rund 20 Prozent des derzeitigen Kursangebots gekürzt werden. Heute will der VHS-Vorstand über diesen Sparvorschlag des Leiters Rudolf Camerer entscheiden.
Erst am Freitag erfuhren die DaF-MitarbeiterInnen von den Plänen und verschafften sich selbst und ihren Bedenken Gehör. Gestern suchten sie die Schulbehörde auf und warnten vor den Folgen: Rund 55 Kurse müßten gestrichen werden, 3080 Stunden würden ausfallen und damit der Unterricht für rund 1000 Flüchtlinge und MigrantInnen. Doch schon jetzt sind die Wartelisten gerade im AnfängerInnenbereich lang. Wer heute Deutsch lernen will, kann sich erst ab Mai anmelden und muß dann auf einen Platz im Herbst hoffen.
„Alle Fachbereiche müssen sparen“, betont hingegen Camerer, DaF bilde lediglich keine Ausnahme. Dozentin Gabriele Oberstenfeld erinnert jedoch daran, daß „wir nicht mit einem Töpferkurs zu vergleichen sind: Der Spracherwerb ist für Ausländer Voraussetzung für die Integration“. Kollegin Anja Paehlke verweist auf den sozialpolitischen Auftrag der VHS und auf eine Senatsdrucksache vom November 1996, in der dieser besonders hervorgehoben wurde. Dort wurde sogar angekündigt: „Das bestehende Deutschkurs-Angebot soll erweitert werden.“
Die Entwicklung ist gegenläufig. Beschloß der Senat 1979 noch, keine Gebühren zu erheben, um den Spracherwerb ohne jegliche Hindernisse zu ermöglichen, mußten AusländerInnen in den vergangenen Jahren immer höhere Gebühren zahlen. Wer Deutsch im Fortgeschrittenenkurs lernt, ist mittlerweile mit über 200 Mark dabei. Im vergangenen Jahr wurden alle Sommerkurse komplett gestrichen und die Kinderbetreuung wurde radikal zusammengekürzt.
Daß Umstrukturierungen der VHS notwendig seien, bestätigt die schulpolitische Sprecherin der GAL, Christa Goetsch. Camerer jedoch will die VHS offenbar nicht nur umstrukturieren, sondern umwidmen. Gespart werde laut Goetsch bei der „eigentlichen Zielgruppe“der VHS. Beispielsweise auch beim Angebot für Arbeitslose, wie dem Othmarscher Verein „Röbbek“, in dem rund 230 arbeitslose Jugendliche und Langzeitarbeitslose ihren Haupt- und Realschulabschluß machen können. Parallel werde das Angebot in „gebührenträchtigen Bereichen“wie bei Computerkursen und Fortbildungen für ausländische ArbeitnehmerInnen ausgeweitet – wodurch die VHS auch noch unnötig in Konkurrenz zu anderen Bildungsträgern trete.
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