Schwerer Fall für das UNO-Ruanda-Tribunal

■ Ein Pferd verzögert die Aussage des ehemaligen UN-Blauhelmkommandeurs Romeo Dallaire

Arusha (taz) – Mit Spannung wurde der Auftritt des ehemaligen Kommandanten der UNO-Truppen in Ruanda vor dem UN-Völkermordtribunal erwartet – gestern mußte der Termin wegen des Unfalls eines Richters verschoben werden. Lennart Aspegren sei am Sonntag von einem Pferd gefallen, gab das Gericht in der tansanischen Stadt Arusha bekannt. In offensichtlicher Anspielung an die Absurdität des Falles sagte der senegalesische Gerichtspräsident Laity Kama: „Er hat nichts am Kopf.“ Das UN-Tribunal steht im Zentrum UN-interner Kritik wegen des schleppenden Vorgangs seiner Verfahren, die den Völkermord an 800.000 Menschen, zumeist Tutsi, in Ruanda 1994 juristisch aufklären sollen.

Der Auftritt Dallaires wird nach Angaben des Gerichts nun für heute oder morgen erwartet. Dallaire soll in dem Verfahren gegen Jean-Paul Akayesu aussagen, während des Völkermords Bürgermeister der rund 30 Kilometer westlich von der ruandischen Hauptstadt gelegenen Gemeinde Taba. Akayesu werden Teilnahme am Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Vergewaltigung vorgeworfen. Die Verteidigung hatte Dallaire als Zeuge beantragt; UN-Generalsekretär Kofi Annan hob Dallaires Immunität im Januar auf. Wie weit die Rolle der UNO während des Völkermordes zur Sprache kommen wird, ist fraglich, denn Dallaires von der UNO gewährte Aussagemöglichkeit beschränkt sich ausdrücklich auf die Vorwürfe gegen Akayesu. Die UNO hatte in Ruanda den Genozid nicht verhindert, sondern ihre Truppen zwei Wochen nach Beginn der Massaker weitgehend abgezogen.

Akayesus Verteidiger Nicolas Tiangaye sagte der taz, Dallaire sei während des Völkermordes nicht mit Akayesu in Kontakt gewesen. Er solle als Experte, der die Ereignisse miterlebt hat, aussagen. Die Verteidigung hat in dem Verfahren bisher die Linie eingeschlagen, daß Akayesu keine führende Rolle bei der Ausführung des Völkermordes in der Oppositionshochburg Gitarama, wo Taba liegt, eingeschlagen habe.

In einer kurzen Stellungnahme sagte Dallaire gestern, daß es eine „große emotionale Bedeutung“ für ihn habe, im selben Gebäude auszusagen, in dem vor knapp fünf Jahren das Arusha-Abkommen zur Machtteilung zwischen der damaligen ruandischen Hutu-Regierung und der mittlerweile herrschenden Tutsi-Guerillabewegung RPF geschlossen worden war, das die UNO damals eigentlich überwachen sollte. Rechtzeitig zu seinem Auftritt ist unter anderem der belgische Justizminister de Klerk angereist, wenn er auch nach eigener Aussage nur „zufällig“ gerade jetzt da ist. Peter Böhm