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Geprügelte können sich sofort trennen

Nordrhein-Westfalen: Ausländische Ehefrauen, die von ihren Männern mißhandelt werden, können ohne Wartezeit eigenständiges Aufenthaltsrecht erlangen. Bisher blieb das Aufenthaltsrecht an die Ehe gekoppelt  ■ Von Vera Gaserow

Berlin (taz) – Mißhandelte ausländische Ehefrauen können in Nordrhein-Westfalen ab sofort ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten. Die Landesregierung hat gestern einen genauen Kriterienkatalog verabschiedet, der festlegt, in welchen Fällen mißhandelte Fauen auch ohne Wartezeit ein von ihren Ehemännern unabhängiges Bleiberecht bekommen können. Die Aufenthaltserlaubnis wird zunächst befristet erteilt, kann aber verlängert werden.

Die neue Regelung soll Ausländerinnen aus einer oft lebensbedrohlichen Zwangssituation befreien, denn das Ausländerrecht zwingt sie, auch in Fällen schwerer Mißhandlung bei ihren Ehemännern auszuharren. Andernfalls würden sie bei einer Trennung die sofortige Ausweisung riskieren. Schon seit Jahren haben Frauen- und Migrantengruppen eine Änderung dieser unhaltbaren Regelung gefordert.

Paragraph 19 des Ausländerrechts billigt nachziehenden Ehepartnern erst nach vierjährigem Aufenthalt in Deutschland ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu. In „außergewöhnlichen Härtefällen“, so hatte im letzten November schließlich eine Gesetzesänderung zugestanden, könne diese vierjährige Wartezeit allerdings entfallen. Der Bund hatte jedoch unterlassen zu definieren, was konkret unter einer solchen „außergewöhnlichen Härte“ zu verstehen ist. Die Gesetzesänderung, die die Abhängigkeit mißhandelter Ehefrauen von ihren prügelnden Männer einschränken sollte, war damit in der Praxis kaum handhabbar gewesen.

Der Erlaß des nordrhein-westfälischen Innenministeriums, der gestern in Zusammenarbeit mit der Frauen- und Gleichstellungsministerin vorgelegt und in Kraft gesetzt worden ist, soll diese Definitionslücke schließen. Laut Erlaß werden künftig physische und psychische Mißhandlung, Zwangsprostitution und drohende Zwangsabtreibung als außergewöhnliche Härte eingestuft. Auch sexuelle Gewalt und Mißbrauch der in der Ehe lebenden Kinder soll ab sofort ein eigenständiges Aufenthaltsrecht ohne Wartefrist begründen, ebenso wie die Betreuung eines behinderten Kindes. Außerdem sollen Frauen bei einer drohenden schwerwiegenden gesellschaftlichen Diskriminierung im Heimatland vor einer Ausweisung geschützt sein.

Wie groß der Kreis der Frauen ist, deren Aufenthalt derzeit an den ihrer Männer gekoppelt ist und die bei einer möglichen Trennung ihre Ausweisung befürchten müßten, zeigt eine Statistik des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. In NRW leben rund 900.000 ausländische Frauen. Fast 200.000 von ihnen sind noch keine vier Jahre in Deutschland.

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