: Schüler gegen „Miß bildung“
■ Protest gegen die drohende Schließung der Schulen Holter Feld und Huckelriede / Bildungspolitiker warten, ob Daimler sein Vorkaufsrecht für das Schulgelände ausübt
Gutgelaunt und stocksauer zogen einige hundert SchülerInnen unter der Parole „Schüler gegen Miß-Bildung“gestern mittag von ihrer Kundgebung vom Marktplatz ab. Vor allem aus den Schulzentren der Sekundarstufe II im Holter Feld und der Huckelriede kamen die SchülerInnen, die auf dem Marktplatz ihren Frust gegen die drohenden Schließungen ihrer Schulen in Protest ummünzten. Vor dem Hause der Bürgerschaft moderierte ein Schulsprecher von der Huckelriede, der Schüler Michael Horling, in einer ganz neuen Form eine freche Politikerbefragung.
Die konnten die Erwartungen der Schüler natürlich nicht erfüllen. Was hatte der bildungspolitische Sprecher der CDU, Klaus Bürger, den SchülerInnen zu sagen? Im Gedächtnis der SchülerInnen hat sich festgesetzt: „Herr Bürger sagte nicht viel.“Leicheres Spiel hatte da schon der Vertreter der Grünen, Helmut Zachau. „Am Rembertiring sitzt ein Immobilienhandel“, beschrieb er das aktuelle Niveau der Bildungspolitik und versicherte den protestierenden SchülerInnen seine Sympathie.
Die Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs versuchte, auf einige der Fragen einzugehen, drehte sich dann unvermittelt um und verließ die Protestbühne. In der Sache hätte sie auch wenig zur Beruhigung der Gemüter mitteilen können. Denn alles hängt derzeit an der Entscheidung der Firma Daimler Benz. Wenn das Autowerk von seiner Vorkaufsoption für die Schule am Holter Feld Gebrauch macht, dann würde wegen planerischer Überkapazitäten als zweites Schulgebäude vermutlich das Schulzentrum Huckelriede verkauft. Hintergrund ist die Tatsache, daß dort die Bereiche mit Überkapazitäten, kaufmännische Berufsbildung und gymnasiale Oberstufe, in einem Gebäude vertreten sind. In das unverkäufliche Gebäude Huckelriede müßten andere Abteilungen der Bildungsbehörde einziehen, der Schulpsychologische Dienst und die Landesbildstelle könnten Schwachhauser Villen freimachen, das Bafögamt seine angemieteten Räume. Mit den Erlösen sollen Lücken im laufenden Bildungsetat gestopft werden.
Daß diese Art der Bildungsfinanzierung keine Perspektive hat, wissen auch die Bildungspolitiker. Wie geht es nach 1999 weiter, wenn nichts mehr zu verkaufen ist? Die bildungspolitische Sprecherin der SPD, Ulrike Hövelmann, zuckt die Achseln: „Eine gute Frage.“
Daß es ausgerechnet Huckelriede treffen könnte, hat auch einen bildungspolitischen Hintergrund. Als vor vier Jahren die Bremer FDP im Senat vertreten war und verlangte, das alte durchgehende Gymnasium Huckelriede wiederherzustellen, da verhinderte die SPD dies und setzte statt dessen die Gründung eines neuen Gymnasiums unter dem Dach des großen Schulzentrums Obervieland durch. Eine Schließung der Sek II in der Huckelriede würde das neue Gymnasium Obervieland absichern.
Eine Alternative zur Aufgabe des Schulstandortes Huckelriede wäre die Schließung des Schulzentrums Leher Heerstraße, wo die CDU gerade ein Wirtschaftsgymnasium durchgesetzt hat. Auch an andere möglicherweise aufzugebende Schulstandorte will die CDU nicht ran.
Letzte Hoffnung auch für die Schüler in Huckelriede bleibt so, daß Daimler die Fläche der Schule Holter Feld nicht kaufen will – dann würden die Karten neu gemischt im Immobilienhandel Bildungspolitik, dann könnte es die Walliser Straße treffen. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen