piwik no script img

Neil Jordan – vom Autor zum Regisseur

■ 1980 wurde der Bühnenautor Neil Jordan „als eines der originellsten Talente des vergangenen Jahrzehnts“ gelobt. Mit dem Film „The Butcher Boy“ erweist er sich als Meister

In Irland, wo der Film vorigen Freitag angelaufen ist, überschlagen sich die Kritiker: „The Butcher Boy“, Neil Jordans zehnter Spielfilm, sei sein bisher bester. Den meisten, jedenfalls den älteren unter den Filmbesuchern, lief wohl ein kalter Schauer über den Rücken, so authentisch ist Jordans Bild der Grünen Insel in den sechziger Jahren.

Jordan, geboren 1951 in Sligo im Nordwesten Irlands, begann seine Karriere als Bühnenautor. 1974 war er Mitbegründer der Irish Writers' Cooperative, einer losen Vereinigung junger Schriftsteller. Zwei Jahre später erschien eine Sammlung von Kurzgeschichten, „Night in Tunisia and Other Stories“, 1980 veröffentlichte er seinen ersten Roman. Schon damals wurde er für „The Past“ von der britischen Zeitschrift Spectator als „eines der originellsten Talente des vergangenen Jahrzehnts“ gelobt.

Daß er Filmemacher wurde verdankt sich einer Begegnung mit dem Regisseur John Boorman. Der hatte lange Zeit die Ambition gehegt, einen Film nach der Legende um König Arthur zu drehen. 1980 war es endlich soweit. Das irische Nationale Filmstudio zog die 11,5-Millionen-Dollar-Produktion „Excalibur“ an Land. Boorman bestand darauf, junge irische Talente in allen Bereichen der Produktion einzusetzen. Einer von ihnen war Neil Jordan. Er sollte eine Dokumentation über die Entstehung des Films drehen.

Ein Jahr später gründete Boorman die Motion Picture Company of Ireland, die sich auf Low-Budget-Filme spezialisierte. Ihr erstes Projekt war „Angel“, ein Film über den Nordirland-Konflikt, der innerhalb von sechs Wochen in Dublin abgedreht wurde. Es war Jordans erster Spielfilm. Danach kam „The Company of Wolves“, der von Filmkritikern in Los Angeles als „aufregendster britischer Film des Jahres 1984“ bezeichnet wurde. Vom Thema her erinnert er stark an „The Butcher Boy“, Stephen Rea spielte schon damals eine der Hauptrollen. 1985 schrieb Jordan das Drehbuch für „Mona Lisa“, und bei dem Film mit Michael Caine und Bob Hoskins führte er auch selbst Regie.

Nach dem Erfolg seiner ersten drei Filme wagte sich Jordan an das Zwölf-Millionen-Dollar-Projekt „High Spirits“, eine rabenschwarze Komödie, für die er wiederum das Drehbuch geschrieben hatte. Der Film wurde von der Kritik nur lauwarm aufgenommen, und auch Jordans nächsten beiden Filmen, „We're no Angels“ mit Robert De Niro sowie „The Miracle“, erging es nicht besser. Danach kehrte er zum Low-Budget-Film zurück. „The Crying Game“, erneut mit Stephen Rea, wurde ein Riesenerfolg in den USA – nicht zuletzt, weil sich herumgesprochen hatte, daß die attraktive Dil (Jaye Davidson) in Wirklichkeit ein Mann war. Wenn sich auch die Kritiker zurückhielten, um diese Pointe nicht vorwegzunehmen, so war bei den Oscar-Nominierungen alles klar: Davidson wurde in der Kategorie „bester Schauspieler“ aufgestellt. Jordan gewann für sein Drehbuch einen Oscar.

Der am ungeduldigsten erwartete Film 1996 war „Michael Collins“ – eine Person, an der die Nation noch heute gespalten ist: Nachdem Collins 1921 den Teilungsvertrag mit der britischen Regierung ausgehandelt hatte, kam es zum Bürgerkrieg, weil weite Teile der IRA die Teilung Irlands nicht akzeptierten. Jordan hatte zwölf Jahre darum gekämpft, diesen Film machen zu dürfen. Da sein „Interview with the Vampire“ ein kommerzieller Erfolg war, rückte Warner Brothers das Geld für „Michael Collins“ heraus.

Mit dem „Butcher Boy“, dessen Buchvorlage von Pat McCabe als unverfilmbar galt, ist Jordan sein Meisterwerk gelungen. Ralf Sotscheck

„Butcher Boy“. Regie: Neil Jordan. Mit Eammon Owens, Allan Boyle II, Stephen Rea. Irland 1997, 106 Min.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen