Beim Telefon verpaßt Viag den Anschluß

Der Gemischtwarenladen hat mit Strom, Dosen, Gelatine und dem Transport von Waren 21 Prozent mehr Umsatz gemacht als im Vorjahr. Doch die Viag Interkom vertröstet die Telefonkundschaft erst einmal  ■ Von Annette Jensen

Der Aschermittwoch sollte für den Viag-Vorstand eigentlich ein ganz großer Tag werden. 49,5 Milliarden Mark Umsatz hat der Konzern vergangenes Jahr erwirtschaftet – 21 Prozent mehr als im Vorjahr. Doch die Börsianer wollen dem Gemischtwarenladen aus München dennoch nur durchschnittliche Entwicklungschancen zubilligen: Die Telefontochter trödelt beim Markteintritt.

„Sie gehen uns bestimmt ins Netz“, wirbt die Viag Interkom, an der die British Telecom und die Viag zu je 45 und die norwegische Telenor zu 10 Prozent beteiligt sind. Doch zunächst ist das selbst für willige Opfer nicht möglich. Denn erst ab Mai, zwei Monate später als geplant, sollen Festnetzkunden bedient werden. Handys mit E2-Anschluß gibt es sogar nicht vor dem Sommer. Und der eigentliche Clou, mit dem die Viag Interkom stets geworben hatte, ist vorläufig gar nicht zu haben: eine einzige Telefonnummer für den Anschluß zu Hause und in der Jackentasche. 700 Millionen Mark Verlust hat die Gesellschaft im vergangenen Jahr eingefahren – 1998 wird es über eine Milliarde sein.

Einen guten Großkunden hat die Viag Interkom indes bereits im vergangenen Herbst gewonnen: die bayerische Regierung. Einen erheblichen Anteil an dem Vertragsabschluß dürfte Georg von Waldenfels gehabt haben, der früher Finanzminister in München war und heute im Konzernvorstand das neu geschaffene Ressort „Wirtschaft und Politik“ betreut. Das Land hält noch ein Viertel der Aktien am Gesamtkonzern, will sich aber demnächst zurückziehen. Doch vor den Landtagswahlen im September wird sich nichts tun, schätzen Beobachter.

Weiter expandieren will die Viag im Energiebereich. Im vergangenen Jahr kaufte der Konzern die Isar-Amperwerke. „Damit konnte der größte weiße Fleck in unserem bayerischen Heimatmarkt beseitigt werden“, sagte Viag-Chef Georg Obermeier vor kurzem. Inzwischen gehören dem Konzern auch 40 Prozent des ungarischen Strommarkts, und auch in Thailand und der Schweiz ist die Viag aktiv. Insgesamt 10 Milliarden Mark erwirtschaftet sie im Energiesektor.

Zwei Drittel des erzeugten Stroms stammen aus Atomkraftwerken. Und die Viag mit ihrer Tochter, den Bayernwerken, unterstützt massiv die Entwicklung des neuen europäischen Druckwasserreaktors EPR. „Die hoffen, daß der in Bayern gebaut wird“, weiß die grüne Landtagsabgeordnete Irene Maria Sturm.

Der Verpackungsbereich mit über 11 Milliarden Mark Umsatz ist ein weiteres Standbein des Konzerns. Weltweit wächst der Markt hier jährlich um 3 Prozent – und die Viag will gut daran verdienen. Der Absatz von Aluminiumdeckeln und -dosen legte im vergangenen Jahr deutlich zu, und bei Pet-Flaschen ist das Viag-Tochterunternehmen Schmalbach-Lubeca inzwischen Marktführer. Schlechter sieht es dagegen bei der Glasherstellung aus.

Deutlich zugelegt haben die Viag-Umsätze auch im Logistikbereich. Der Transport von Stahl, Computern, Textilien und Chemikalien brachte über 20 Milliarden Mark in die Kasse.