Zweiter Fixerraum für St. Georg

Fischer-Menzel befürwortet Druckraum für Frauen in Hauptbahnhofsnähe. Außerdem: Keine Sanktionen für vertragsbrüchige Träger  ■ Von Silke Mertins

„Wir diskutieren einen zweiten Gesundheitsraum in St. Georg“, sagte Sozial- und Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel (SPD) gestern in einem Hintergrundgespräch zur Drogenpolitik. „In dieser Frage gibt es mit den freien Trägern überhaupt keinen Dissens.“Nur müßten in einem belasteten Stadtteil wie St. Georg AnwohnerInnen und Interessengemeinschaften an der Standortentscheidung beteiligt werden. Sie befürworte die Idee, eine Fixerstube für Frauen in Hauptbahnhofsnähe einzurichten. Derzeit gibt es für weibliche Junkies, die sich ihren Schuß häufig in die Leiste setzen, keinen eigenen Raum. Im Gespräch ist die Einrichtung Ragazza, die sich um heroinabhängige Prostituierte kümmert.

Fischer-Menzel hält aber trotz der Kritik der freien Träger aus der „Anbietergemeinschaft“– dazu gehören u.a. Fixerstuben-Betreiberin Freiraum und die Beratungsstelle Palette – an dem Konzept der Dezentralisierung fest. „Wir wollen die Drogenszene am Hauptbahnhof entzerren.“Drei neue Konsumräume sollen an bereits bestehende Einrichtungen wie das Stay Alive auf St. Pauli, das Kodrops in Ottensen und das Café Drei in Eimsbüttel „angedockt“werden. „Das sind Einrichtungen, in die Junkies ohnehin gehen“, so Fischer-Menzel.

Den Vorwurf der „Anbietergemeinschaft“, die Behörde betreibe „Günstlingswirtschaft“und vergebe öffentliche Mittel nur noch an solche Träger, die keine Widerworte geben, wies die Senatorin zurück. 22 Prozent des Drogenhilfe-Etats erhalte die Anbietergemeinschaft. Kürzungen seien nicht vorgesehen.

Die Anbietergemeinschaft hatte am Montag den Vertrag zur „Qualitätssicherung“mit der Behörde gekündigt, weil sie die Drogenpolitik des Senats nicht mehr „mitverantworten“könne. Fischer-Menzel betonte zwar, daß „Mindeststandards“eingehalten werden müßten, „den Sanktionshammer“wolle sie aber vorerst „nicht schwingen“. Sie setzt auf die Einsicht der betroffenen Einrichtungen und „Gespräche“, an deren Ende aber „das Einhalten der Regeln“stehen müsse, „daran will ich keinen Zweifel lassen“.

Der SPD-Regierungspartner GAL schlug sich gestern abend im Gesundheitsausschuß auf die Seite der Anbietergemeinschaft. Gemeinsam mit der CDU warfen die Grünen der Behörde Kommunikationsdefizite vor. Das bestritt die Senatorin: „Es wird sehr viel geredet.“Doch die Politikansätze der freien Träger – zwischen Abstinenz und Legalisierung – „sind nun mal sehr unterschiedlich“. Die GAL würde, so Fraktionsvize Anna Bruns, weitere szenenahe Fixerräume der Dezentralisierung vorziehen. In Eimsbüttel etwa sei doch gar kein Bedarf.

Ob der bisher einzige St. Georger Gesundheitsraum, im Drob-Inn, tatsächlich, wie behauptet, überfüllt ist, bezweifelt SPD-Gesundheitspolitikerin Petra Brinkmann. Die Sozialbehörde will nach einer Erprobungsphase weiteren Bedarf erneut diskutieren, ist dabei aber auf die Angaben der Träger angewiesen. „Wir müssen darauf vertrauen“, so der Drogenbeauftragte Horst Bossong, „wir erwägen jedenfalls keine verdeckten Ermittlungen.“