piwik no script img

Pornos und Waffenhandel im Knast Oslebshausen?

■ Der JVA-Prozeß rückt Beamte ins Zwielicht / Zeugen verlieren Glaubwürdigkeit

Komödie, Tragödie, Trauerspiel? Das, was sich zur Zeit im JVA-Prozeß vor dem Bremer Amtsgericht abspielt, spottet jeder Beschreibung. Verteidiger und Staatsanwalt schreien sich im Gerichtssaal an. Ein Zeuge droht einem Anwalt: „Wir gehen gleich raus und dann Sie kriegen aufs Maul.“Fast alle halbe Stunde wird der Prozeß unterbrochen, weil die Richter über mehr oder weniger sinnvolle Anträge der Verteidigung zu entscheiden haben. „Ein Volksstück namens Strafprozeß“beschrieb die ansonsten eher als zurückhaltend geltende Syker Kreiszeitung das Szenario im Gerichtssaal.

Seit acht Wochen müssen sich die JVA-Beamtin Sandra B. und vier Häftlinge vor Gericht wegen Körperverletzung verantworten. Die Beamtin soll Zellentüren aufgeschlossen haben, damit die vier Angeklagten mutmaßliche Sexualstraftäter verprügeln konnten. Außerdem wirft die Anklage den Häftlingen vor, während der Freistunde auf dem Gefängsnishof einen Mitinsassen vertrimmt zu haben. Die Opfer trugen zum Teil schwere Verletzungen davon.

Die Stimmung im Prozeß ist gereizt. Die Verteidigung vermutet einen politisch motivierten Prozeß, die Staatsanwaltschaft verliert wichtige Zeugen. Der Justizvollzugsbeamte Ingolf K. galt bis vor kurzem als glaubwürdig. Er hatte sich selbst und seine Kollegen aus der Schicht 2 des Hauses III vor dem Untersuchungsausschuß und der Staatsanwaltschaft belastet. Seit seiner Vernehmung vor Gericht ist der Beamte allerdings ins Zwielicht geraten. Ingolf K. hat sich angeblich über einen Häftling, der in Verden in erster Instanz als Mörder verurteilt worden ist, Schlagstöcke und eine schwarze Lederjacke besorgen lassen. Im Gegenzug soll er dem Mann, der damals noch in Untersuchungshaft saß, erlaubt haben, nachts vom Dienstapparat aus mit seiner Freundin zu telefonieren. Der Häftling und seine Freundin wurden später wegen gemeinschaftlichen Mordes verurteilt. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, hätte Ingolf K. den Beiden unter Umständen dazu verholfen, ihre Aussagen am Telefon abzusprechen. Ingolf K. schweigt zu den Vorwürfen. „Ich verweigere die Aussage“, sagt der Beamte vor Gericht. Ein Zeuge darf die Aussage nur verweigern, wenn er sich selbst belasten würde.

Ein anderer Beamter, Olaf K., gibt vor Gericht zu, daß er den Häftling für die Firma eines Verwandten Werbeprospekte eintüten ließ – und zwar ohne Bezahlung. Der Häftling bestreitet den kostenlosen Arbeitseinsatz. Trotzdem werfen diese Aussagen grelles Licht auf das Beziehungsgeflecht von Beamten und Häftlingen in der JVA und sind auch in bezug auf die Angeklagten von besonderer Brisanz: Drei der vier angeklagten Häftlinge waren zum Tatzeitpunkt Hausarbeiter, das heißt, sie waren besonders privilegierte Häftlinge, die sich im Haus III frei bewegen konnten, um den Beamten u.a. bei der Essensausgabe zur Hand zu gehen, im Knast ein begehrter Job. Die Beamten suchen sich ihre Hausarbeiter selbst aus. Sollten die Häftlinge, die die Taten abstreiten, entgegen ihrer Aussagen doch geprügelt haben, drängt sich die Frage auf, ob sie unter dem Druck der Beamten gehandelt haben. Immerhin stehen insgesamt neun Beamte aus dem Haus III unter Verdacht, Häftlinge zum Teil schwer mißhandelt zu haben. Die jetzt angeklagten Hausarbeiter hätten einer prügelnden Schicht unterstanden. Wie sollten sie in einem solchen Klima Recht von Unrecht unterscheiden?

Die JVA-Beamtin Sandra B. wird von Olaf K. schwer belastet. Unmittelbar vor der Tat soll sie ihm gegenüber gesagt haben, sie würde „das jetzt mit den Sittenfiffis klarmachen“. Sandra B. bestreitet die Äußerung. Sie sei von Ingolf K. und Olaf K. sexuell belästigt worden. Die Aussage sei ein Racheakt, weil sie sich gegen die Anzüglichkeiten gewehrt habe. Die Beamten hätten während der Dienstzeit Pornos angeschaut. „Sandra, guck mal her, dann kannst Du noch was lernen“, sollen sie gesagt haben. Olaf K. räumt auf Nachfrage vor Gericht kleinlaut ein, daß in dem Büro der Beamten Porno-Hefte gelegen hätten. Der Beamte Joachim H. bestätigt das und verrät noch mehr. „Haben Sie während der Dienstzeit Pornos-Videos geguckt“, will der Verteidiger Sandra B.'s von ihm wissen. Der Mann lacht. „Na klar haben wir Pornos geguckt.“

Kerstin Schneider

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen