: Eine Bischöfin für Österreich
■ Superintendentin Gertraud Knoll tritt als überparteiliche Kandidatin zur BundespräsidentInnenwahl am 19. April an
Wien (taz) – Österreichs konservativer Bundespräsident Thomas Klestil muß um seine Wiederwahl zittern. Seit gestern ist es offiziell: Bei der Wahl am 19. April wird es doch eine überparteiliche Gegenkandidatin geben. Gertraud Knoll, die 39jährige Superintendentin der evangelischen Kirche im Burgenland, kandidiert, „weil ich überzeugt worden bin, daß ich vielleicht dazu beitragen kann, daß in diesem Land mehr Wärme in die Politik kommt“.
Noch ehe Österreichs einzige Frau im Bischofsornat ihre Entscheidung offiziell machte, hagelte es Vorschußlorbeeren und Unterstützungserklärungen aus den verschiedensten Lagern. Die Grünen, die keinen eigenen Kandidaten aufstellen, hatten sich schon im Herbst um die Kirchenfrau bemüht. Vergeblich. Sie hatte damals andere Sorgen, denn Sohn Levi war gerade zur Welt gekommen.
Als Fürsprecherin des Frauenvolksbegehrens und entschiedene Gegnerin eines Nato-Beitritts ist Knoll eine Wunschkandidatin der Grün-Alternativen. Mit der Aufnahme von sechs afghanischen Flüchtlingskindern, deren Asylantrag abgelehnt wurde, trat sie aktiv gegen Ausländerfeindlichkeit auf. Auch in der SPÖ, die laut Parteibeschluß keinen Kandidaten unterstützt, kann Gertraud Knoll auf breite Sympathien zählen. Vor allem der linke Flügel, der den stillschweigenden Schulterschluß der Partei mit dem konservativen Klestil nur unter Protest weggesteckt hat, wird nun doch wählen gehen.
Die Liberale Heide Schmidt, die selbst zum zweiten Mal gegen Klestil antritt, hat angekündigt, sie würde als Abgeordnete für die Rivalin unterschreiben. Denn sie rechnet sich damit größere Chancen aus, Klestil eine Stichwahl abzutrotzen. Selbst in der konservativen ÖVP melden sich vereinzelte Stimmen des Applauses.
Vor allem dürfte die dreifache Mutter und engagierte Kämpferin für die sozial Ausgegrenzten einen großen Teil derjenigen motivieren, die mit den bisherigen sechs Kandidaten nicht glücklich waren. Prominente Künstler von André Heller und Wolfgang Ambros über Christine Noestlinger bis Johannes Mario Simmel begrüßen die Kandidatur.
Erbitterte Gegner hat Frau Knoll in den Freiheitlichen des Jörg Haider. „Knollenblätterpilze brauchen wir nicht, wir vergiften uns nimmer!“ hatte der rechte Volkstribun am Aschermittwoch im Bierzelt gewettert. Unter einer Bundespräsidentin Knoll würde er auch als Wahlsieger nicht Bundeskanzler werden. „Ich würde niemals einen Menschen mit der Regierungsbildung beauftragen, der im Inland und Ausland für Polariserung sorgt“, sagt Knoll.
Ihre kirchlichen Funktionen hat sie mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Trotzdem könnte ihr evangelischer Hintergrund in den tiefkatholischen Bundesländern ein Hindernis sein. Ihr größtes Manko ist jedoch die fehlende politische Erfahrung und die noch ungeklärte Frage, ob die umgerechnet dreieinhalb Millionen Mark für den Wahlkampf rechtzeitig aufgetrieben werden. Ralf Leonhard
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