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Geldstrafe für Roger Garaudy

■ Weil er die Ermordung von Millionen Juden im Holocaust bezweifelt, muß der französische Philosoph 36.000 Mark Strafe zahlen. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Monate Haft gefordert

Paris (AFP/taz) – Wegen Leugnung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist der französische Philosoph Roger Garaudy gestern in Paris zu einer Geldbuße von 120.000 Franc (knapp 36.000 Mark) verurteilt worden. Der ehemalige marxistische Theoretiker hatte in seinem 1996 erschienenen Buch „Die Gründungsmythen der israelischen Politik“ die Zahl der von den Nationalsozialisten ermordeten Juden und die Existenz der Gaskammern in den Konzentrationslagern angezweifelt. Das Pariser Strafgericht blieb mit seinem Urteil weit hinter dem Antrag der Staatsanwaltschaft zurück, die sechs Monate Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 150.000 Franc gefordert hatte.

Der 84jährige Garaudy machte in seinem Buch geltend, die Angaben über den Holocaust hätten nur dazu gedient, die Gründung des Staates Israel 1948 zu rechtfertigen. Der populäre Armenpriester Abbé Pierre hatte nach der Veröffentlichung seinen langjährigen Freund Garaudy zunächst unterstützt und landesweiten Wirbel mit der Erklärung ausgelöst, Zweifel an der Ermordnung von sechs Millionen Juden dürften nicht tabu sein. Erst drei Monate später nahm er seine umstrittenen Äußerungen wieder zurück.

Ein „Revisionist“ war Roger Garaudy nicht immer. Zuvor hatte der gelernte und später sehr bedeutende Philosoph einen langen Weg durch zahlreiche Kirchen zurückgelegt. Nachdem er 1970 wegen eurokommunistischer Tendenzen aus der KP ausgeschlossen wurde – er war sogar Mitglied des Politbüros –, konvertierte er erst zum Katholizismus, dann zum Protestantismus und vor ein paar Jahren zum Islam. Seine Veröffentlichungen spiegeln die Konversionen wider. Sie reichen von Werken über die Quellen des wissenschaftlichen Sozialismus (1949), materialistische Theorie (1953), Karl Marx (1965), dem viel rezipierten Werk über Hegel (1966) und Lenin (1968) bis zu „Brauchen wir Gott?“ (1984) und „Größe und Dekadenz des Islam“ (1996).

Für sein jüngstes Buch, das ihm jetzt die Verurteilung eintrug, hatte Garaudy keinen Verlag gefunden. Er brachte es schließlich im Selbstverlag heraus, den er in Anlehnung an die einstige sowjetische Untergrundliteratur „Samiszdat“ nannte.

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