: Denkmalstreit in Köpenick
■ SPD will das Mahnmal "Köpenicker Blutwoche" umgestalten. Auch an die Opfer der stalinistischen Diktatur soll erinnert werden. PDS und Antifa-Verbände protestieren: "Faschismus nicht verniedlichen"
Horst Bednarick hat den Beweis in der Tasche. Ein Buch mit vielen Abbildungen, auf Seite 200 die Titelseite der sozialdemokratischen Zeitschrift Der wahre Jakob vom Juli 1932, darauf zu sehen: ein ausgestreckter Arm mit einer geballten Faust. „Sehen Sie“, sagt Historiker Bednarick, tippt auf Seite 200 seines Buches und blickt hinüber zum Mahnmal für die Opfer der „Köpenicker Blutwoche“, eine Faust, aufgesetzt auf einer meterhohen schweren Betonsäule; „Sehen Sie, das Mahnmal mit der Faust gleicht dem ausgestreckten Arm mit der Faust in dem Buch.“ Für Horst Bednarick ist somit bewiesen: „Der Gruß ist ein sozialdemokratischer.“ Das Denkmal „Köpenicker Blutwoche“ sei keines nach kommunistischem Vorbild, wie gegenwärtig die Köpenicker SPD kolportiert. Sie fordert eine Umgestaltung.
Ein sozialdemokratischer Gruß also und kein kommunistischer. Denn: „Die Kommunisten haben den Arm angewinkelt und mit der Faust in Schulterhöhe gegrüßt“, sagt Horst Bednarick, und schlägt das Buch wieder zu und schaut noch einmal hinüber zum Mahnmal, das gerade von Köpenicker Jugendlichen verhüllt wird. Motto der Aktion: „Tach, ich bin die Vergangenheit“. Eine Aktion zum aktiven Erinnern – veranstaltet am Wochenende anläßlich des 65. Jahrestages des Reichstagsbrandes und, rein zufällig, zu einem Zeitpunkt, da in Köpenick ein heftiger Denkmalstreit schwelt, angezettelt ausgerechnet von der SPD.
Die nämlich fordert jetzt ein neues Denkmal, das an „alle Opfer von Gewalt in der Deutschen Geschichte von 1933 bis 1989“ erinnert, sowie eine Umgestaltung des Platzes, auf dem das Denkmal steht. Für die SPD hat der Platz des 23. April noch immer den Charakter eines DDR-Aufmarschplatzes, für sie ist das Monument mit der Faust und dem Liebknecht-Zitat auf der Rückseite ein SED-Relikt.
1969 wurde das Denkmal aufgestellt, „von der stalinistischen Diktatur“, wie SPDler Karl-Georg Maucher betont. Es erinnert an die Opfer der „Köpenicker Blutwoche“. Im Juni 1933 waren im Bezirk innerhalb von wenigen Tagen über 500 Menschen von den Nazis verschleppt und mindestens 28 ermordet worden. Zu den Opfern zählten auch Sozialdemokraten wie Johannes Stelling, ehemaliger Ministerpräsident von Mecklenburg-Schwerin, und Paul von Essen, Gewerkschaftsführer und Funktionär des Reichsbanners. Die Köpenicker SPDler sehen nun die Zeit gekommen, ihren Opfern gerecht zu werden, denn für Nichtkommunisten sei dies kein geeigneter Ort zum Trauern. „Dieses Denkmal ist für mich eine Vereinnahmung der Opfer für eine bestimmte politische Richtung“, sagt SPDler Maucher. Deshalb ein neues Denkmal mit einem erweiterten Opferbegriff, also einschließlich der Opfer der stalinistischen Diktatur.
Dagegen protestieren nunmehr massiv antifaschistische Organisationen und die PDS. Eine Gleichsetzung von Nazi-Gewalt und DDR-Unrecht ist nicht zulässig, betonen Antifa-Verbände. Ann Notowicz, Widerstandskämpferin, wehrt sich dagegen, daß „Millionen Bürgerinnen und Bürger der DDR in den Dreck gezogen werden, indem sie in einem Atemzug mit den Verbrechen der Faschisten genannt werden.“ PDS-Chef Lothar Bisky betont: „Der Faschismus darf nicht verniedlicht werden. Die Einmaligkeit der faschistischen Verbrechen muß in Erinnerung bleiben“ – und daher auch das Denkmal in seiner jetztigen Form. Gleichwohl, so Bisky, habe er „nichts dagegen, daß auch der Opfer des Stalinismus gedacht wird“ – zum Beispiel mit einem eigenen Denkmal. Das kann sich auch PDS-Kulturstadtrat Ernst Welters vorstellen. Aber: „Ich bin dafür, daß das in der Bevölkerung diskutiert wird.“ Im übrigen, so Welters, stehe das Mahnmal auf der Denkmalliste des Landesdenkmalamtes und sei nach der Wende von einer unabhängigen Kommission für „tauglich“ befunden worden. „So ohne weiteres kann es nicht verändert werden.“ Mit einer Umgestaltung des Platzes des 23. April dagegen kann sich der PDS- Stadtrat Welters anfreunden, damit diesem der „Appellcharakter“ genommen wird.
Am 12. März wird erneut in der Köpenicker BVV über den Antrag der SPD diskutiert. Jens Rübsam
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