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Pluto soll Briefgeheimnis knacken

Der Große Lauschangriff inspiriert die Koalition dazu, den Zugriff auf das Internet durchzusetzen. Ein Staatschip soll sichere Verschlüsselungstechniken unterlaufen  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) – Der Große Lauschangriff ist noch nicht umgesetzt, da plant die Bundesregierung schon den wesentlich weiter gehenden Eingriff ins Internet. Innenminister Manfred Kanther möchte Geheimdiensten und Ermittlungsbehörden die Kontrolle der elektronischen Datenautobahnen ermöglichen. Dazu müssen sichere Verschlüsselungstechniken einer restriktiven Kontrolle unterworfen und die Chiffriersysteme mit einer „Hintertür“ für die Lauscher auf dem Markt durchgesetzt werden. Mit zehn Millionen Mark finanziert die Bundesregierung jetzt die Entwicklung eines Verschlüsselungschips. Mit dem daumennagelgroßen Prozessor „Pluto“, benannt nach dem Höllenfürsten aus der griechischen Mythologie, werde sich dann die gesamte vertrauliche Kommunikation überwachen lassen, befürchten Kritiker.

Der Bedarf ist enorm: Bankgeschäfte via Internet, Einkaufen in virtuellen Warenhäusern, die elektronische Unterschrift oder der Austausch sensibler Firmendaten. Soll die neue Branche, der elektronische Kommerz, so richtig boomen, dann klappt das nur, wenn Verschlüsselungstechniken zur Verfügung stehen. Wer auf den Autobahnen ohne Verschlüsselung agiert, verhält sich, als ob er auf dem guten alten Postweg Ansichtskarten versendet. Vom Schalterbeamten bis zum Austräger können alle mitlesen. Chiffrierprogramme wie das legendäre PGP (pretty good privacy) übernehmen auf den Datenautobahnen heute die Funktionen eines Briefumschlages. Und diese sind, wie etwa der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Helmut Bäumler, urteilt, „geradezu ein Geschenk des Himmels. Durch sie können Vertraulichkeit, Authentizität und Integrität wirksam geschützt werden.“

Doch was dem Datenschützer als himmlisches Geschenk erscheint, halten Innenpolitiker wie Minister Kanther für ein außerordentliches Übel. Mit dem Einsatz nicht zu knackender Verschlüsselungsverfahren, so fürchten die Sicherheitsexperten in Bonn, „haben Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden trotz bestehender legaler Abhörmöglichkeiten de facto keine Möglichkeit mehr, die übermittelten oder gespeicherten Informationen zu entziffern“. Der Kölner Verfassungsschutzpräsident Peter Frisch sekundiert: Ohne Entschlüsselung müsse der Staat „hilflos zusehen, wie Extremisten auf diesem Weg zu Gewalttaten aufrufen“. Wo früher Briefe über dem Dampfkessel geöffnet wurden, sollen heute deshalb bei noch zu schaffenden Institutionen hinterlegte Chiffrierschlüssel oder aber zertizifierte Verschlüsselungs-chips mit eingebauter Hintertür den Zugriff auf die geschützten Informationen sicherstellen.

Wer auf den Datenbahnen den Chiffrierschlüssel in der Hand hält, verfügt auch über reichliche Mißbrauchsmöglichkeiten. Im Gegensatz zur simplen Überwachung von Post und Telefonen kann er nicht nur elektronische Unterschriften fälschen. Der komplette Datenaustausch von Unternehmen läßt sich aufzeichnen, selbst Dokumente lassen sich heimlich verändern, ohne daß es der Empfänger bemerkt. Deshalb ist die Forderung nach der staatlichen Hintertür umstritten. Unternehmer fürchten die Industriespionage, die seit Jahren zum Hauptbetätigungsfelder vieler Geheimdienste geworden ist. Zumindest sind Wirtschafts- und der Forschungsminister gegen eine Zensur der Verschlüsselungstechniken.

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