„Wer herkommt, braucht sofort Hilfe“

Beratungsstelle „Opferhilfe“wird von der Justizbehörde zusammengespart  ■ Von Elke Spanner

Maria (*) kann nachts nicht schlafen. Vor zwei Wochen, als sie plötzlich aufwachte, stand ein Einbrecher neben ihrem Bett. Rosanna zuckt jedesmal zusammen, wenn auf der Straße jemand dicht hinter ihr geht, seit sie von ihrem Ex-Mann bedroht wurde. Die Tat ist schon ein Jahr her, und ihre FreundInnen erklären Rosanna längst für verrückt. Sie selbst sich auch.

Daß dem Opfer einer Straftat mehr Hilfe geboten werden muß, darin sind sich alle einig. Doch während Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) in ihrer Behörde Arbeitsgruppen einrichtet, die über das „Wie“beraten sollen, wird der Beratungsstelle „Opferhilfe“das Geld weggekürzt – obgleich sich im Vorjahr mit 655 Menschen mehr denn je an sie gewandt haben. Die Einrichtung in Altona ist das einzige professionelle Hilfsangebot für alle Gewaltbetroffenen, unabhängig vom Geschlecht oder der erlebten Tat.

Über 2,4 Stellen verfügt die „Opferhilfe“. 383.000 Mark gibt es pro Jahr von der Justizbehörde. 1996 wurde ein Drittel des Etats gestrichen, 1998 ein weiterer Teil, und auch für das kommende Jahr sind Kürzungen avisiert. Das hat genau das zur Folge, was die PsychologInnen stets verhindern wollten: Daß Opfer Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. „Wer zu uns kommt, ist in einer akuten Krise und braucht sofort Hilfe“, mahnt Psychologin Gerda Krause.

Die meisten versuchten erst, ihre Angst, Schlaflosigkeit oder Unruhe allein in den Griff zu bekommen – gerade Männer, rund 25 Prozent der KlientInnen. „Sie holen sich in der Regel keine psychologische Hilfe. Mit einer Opferrolle kommen sie nicht zurecht.“Wer sich doch einen Termin geben lasse, sei mit seiner Kraft am Ende.

Neben der psychologischen bieten die MitarbeiterInnen auch praktische Hilfe. Muß jemand wegen des Erlebten die Wohnung wechseln, ruft auch schon mal die „Opferhilfe“bei der SAGA an. „Gewalt geschieht in der Regel zwischen Menschen, die einander kennen“, weiß Krause. Das sei auch ein Grund dafür, daß so wenige Opfer zur Polizei gingen. 80 Prozent der Beziehungstaten würden nicht angezeigt – und tauchten so nicht in der Kriminalstatistik auf.

Viele Opfer scheuen auch die Konfrontation mit dem Täter vor Gericht. Immerhin gibt es mittlerweile ein „Zeugenschutzzimmer“im Oberlandesgericht und die Möglichkeit, die Öffentlichkeit von Prozessen auszuschließen. Wie bedrohlich Gewaltbetroffene die Gerichtssituation empfinden, zeigt sich daran, daß die ersten Opferschutzgesetze in den USA von der Staatsanwaltschaft initiiert wurden. Der blieben nämlich die Zeugen weg – die Anklagen brachen zusammen.

*Name geändert

Opferhilfe, Paul-Nevermann-Platz 2 - 4,