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Der Blick in die Fremde

■ Mystisch und realistisch: Das B-Movie zeigt diesen Monat ein umfassendes Programm mit kurdischen und türkischen Filmen

Durchs wilde Kurdistan sind Generationen von Kindern geritten. Liegend, in ihren Betten und süß davon träumend, selbst ein Karl-May–Held zu sein. Der Abenteuerfilm im Winnetou-Format ist wohl das einzige, was den meisten zum Thema kurdischer Film einfallen dürfte. Das B-Movie will die Bildungslücke gemeinsam mit der Hamburger Initiative „Kurdistan Solidarität“schließen – mit einer Reihe soll diesen Monat in eine Region geführt werden, die ansonsten im Kino kaum vorkommt.

Das meditative Epos Gizli yüz-Das verborgene Gesicht, das der türkische Regisseur Ömer Kavur 1991 auf die Leinwand brachte, eröffnet den Filmmonat. Ein junger Nachtclub-Fotograf begibt sich auf die verzweifelte Suche nach einer rätselhaften Frau. Auf einem seiner Fotos hat sie das Gesicht eines Mannes entdeckt, mit dem sie in eine geheime Welt aufbricht. Als der Fotograf die beiden in der Stadt der Herzen wiederfindet, muß er feststellen, daß es nicht die Frau war, die er gesucht hat, sondern die Welt...

Wunderschön und kitschfrei sind die Bilder, in denen die große mystische Suche erzählt wird. Realistisch verregnete Gassen in schmutzigen Braunpaletten werden durch vereinzelte irreale Bonbonfarben zu einer fantastischen Parallelwelt – die sich nur millimeterweit von der Wirklichkeit entfernt. Ein unwirkliches Blau, die Farbe der Sehnsucht und des Traums, macht die schmerzliche Unwissenheit des Suchenden sichtbar. Der mit Preisen überhäufte Film weist durch seinen Bezug auf den Sufismus, die mystische Frömmigkeit im Islam, weit über den türkischen Kulturkreis hinaus.

Ganz anders Mem und Zin aus dem Jahr 1992, der einzige in Kurdistan selbst gedrehte Film im Programm, der ein kurdisches Volksmärchen aufgreift. Ein ungewöhnliches Märchen ist es, das da in einer Nacht des Nevroz, des kurdischen Frühjahrsfestes, beginnt. Es nimmt kein glückliches Ende, oder – verwirrender noch – es hat eigentlich gar kein Ende. In klassischer Kostümfilmmanier und mit langen Einstellungen wird die Geschichte zweier Liebender erzählt, die von einem willkürlichen Herrscher an der Heirat gehindert werden: das kurdische Volk und Land, wie sich unschwer erschließt. Verspielt und leicht gibt sich die Parabel, die sich tragisch zuspitzt: Mem und Zin sterben an ihrer Trennung. Doch sie werden zu Märtyrern - und aus dem Grab des Liebespaares wachsen zwei Büsche aufeinander zu.

Nicht mit mythischen, sondern mit dokumentarischen Mitteln beleuchtet die in der Schweiz produzierte Arbeit Sertschawan (1992) das Schicksal irakischer Kurden, die den Giftgasangriffen von 1988 ausgesetzt waren. Und in Mein Vater der Gastarbeiter, 1995 entstanden, beschreibt der auf St. Pauli lebende Regisseur Yüksel Kavuz sein eigenes Leben in „Germanistan“. Kurdistan – von Hamburg aus gesehen.

Sabine Claus

Eröffnungsfeier mit Live-Musik, Essen und Fotoausstellung: So, 8. März, 17.30 Uhr

„Gizli yüz“: 7. und 8. März

„Mem und Zin“: 12., 14., 15. März

„Sertschawan“: 19., 21., 22. März

„Mein Vater der Gastarbeiter“: 26., 28., 29. März

Jeweils 20.30 Uhr, B-Movie

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