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Patent zum Einschläfern

Ein neues Medikament zum Töten von Tieren soll ausdrücklich auch für Menschen gelten. Ursprünglicher Auftraggeber: Hoechst-Roussel  ■ Aus Frankfurt/Main Klaus-Peter Görlitzer

051 6811 – unter dieser Nummer hat das in München ansässige Europäische Patentamt (EPA) der US-amerikanischen Michigan State University Erfindungsschutz für eine tödlich wirkende Giftmischung erteilt. Gegen dieses „Euthanasie-Patent“, das ausdrücklich auch die Anwendung am Menschen einschließt, läuft seit Januar 1997 ein Einspruchsverfahren. Es kommt nur schleppend voran, sporadisch wandern Schriftstücke von Inhaberin und Gegnern des Patents zur EPA-Einspruchsabteilung nach München.

Dort werde es frühestens im Herbst eine mündliche Verhandlung geben, schätzt der Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe. Der CDU-Politiker hatte den Einspruch gestartet, denn er hält die Erteilung des „Euthanasie-Patents“ für einen „Verstoß gegen die guten Sitten und eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung“; Geschäftemacherei mit Tötungsprodukten verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Gemeinsam mit dem hessischen Landtagsabgeordneten Roland Rösler fordert Hüppe das EPA auf, das Patent zu widerrufen.

Die Erfolgsaussichten der Einsprecher sind ungewiß. Der Pressesprecher des Patentamtes, Rainer Osterwalder, hatte erklärt, das EPA stütze sein Ja zum Erfindungsschutz für das Euthanasiemittel maßgeblich auf die herrschende Praxis in den Niederlanden. Dort ist „aktive Sterbehilfe“ zwar wie in Deutschland verboten. Trotzdem werden im Nachbarland Ärzte, die ihre Patienten mit Giftinfusionen oder -spritzen töten oder ihnen einen Giftcocktail reichen, nicht belangt – vorausgesetzt, sie halten sich an ein festgelegtes Verfahren. „Aufgrund dieser einen Ausnahme in Europa“, so Osterwalder im Januar 1997, „haben wir rechtlich gesehen keine Möglichkeit gehabt, dieses Patent zu verweigern.“ Die niederländische Praxis könnte bald Nachahmer in der Schweiz finden. Das Parlament soll in diesem Jahr entscheiden, ob aktive Sterbehilfe künftig auch in der Alpenrepublik toleriert werden soll.

Die Michigan State University hält an ihren Ansprüchen fest – mit einer spitzfindigen Begründung: Sie habe vor, beteuert die Patentinhaberin, Lizenzen für den Giftmix ausschließlich zum Einschläfern von Tieren zu verkaufen. Die Aufrechterhaltung des Patents, das dem Inhaber erlaubt, seine Erfindung 20 Jahre allein gewerblich zu nutzen, sei zudem die beste Garantie dafür, es anderen unmöglich zu machen, die Giftkomposition auch zur Tötung von Menschen zu verwenden. Diesem Versprechen trauen Hüppe und Rösler nicht; schließlich hatte die US-Universität bereits im Juli 1994 schriftlich gegenüber dem EPA erklärt, sie beanspruche Patentschutz für den Einsatz am Menschen überall dort, wo Euthanasie legalisiert werde.

Skepsis demonstriert hat auch die Wiesbadener Hoechst Roussel Vet GmbH – und damit ausgerechnet diejenige Firma, deren US- amerikanisches Tochterunternehmen 1988 das veterinärmedizinische Institut der Michigan State University beauftragt hatte, den Giftmix zwecks Tötung von Nutztieren zu entwickeln. Am letzten Tag der Einspruchsfrist gesellten sich die Wiesbadener zu den Einwendern gegen das Euthanasie- Patent.

Die Begründung lieferte die Frankfurter Zentrale des Hoechst- Konzerns: „Wichtig ist“, so Pressesprecher Heiner Harder, daß wir nicht in den Geruch kommen, ein Präparat zur Tötung von Menschen in den Handel bringen zu wollen.“

Die Einspruchsabteilung des EPA hält sich zum „Euthanasie- Patent“ weitgehend bedeckt; vielleicht sucht man in München ja immer noch nach Argumenten für die mündliche Verhandlung im Herbst. Womöglich informieren sich die Experten vom Europäischen Patentamt mal unverbindlich bei ihren Kollegen vom Deutschen Patentamt. Die haben nämlich angehenden Patentanwälten jüngst (5.Februar 1998) eine „wissenschaftliche Prüfungsaufgabe“ zu den „Grenzen der Patentfähigkeit“ gestellt. Der „Fall“, den die Prüflinge im Rahmen der fünfstündigen Examensklausur Anfang Februar in München zu bearbeiten hatten, war höchst real: die Anmeldung eines Patents für eine „Zusammensetzung für Euthanasie“, eingereicht von der „M. University (USA)“.

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