: „Schröder ist modern, offen, dynamisch“
■ Bodo Hombach, Wahlkampfmanager des SPD-Kanzlerkandidaten, über Gerhard Schröder, dem kleine Taten lieber sind als große Worte, über Wolfgang Schäuble als einen der Hauptverantwortlichen des Stillstands und die Chancen einer rot-grünen Regierung
taz: Im Moment scheinen alle in der SPD Gerhard Schröder zu lieben. Wie lange wird die Eintracht halten?
Bodo Hombach: Die SPD hat die Chance, die gegenwärtige Bundesregierung abzulösen, weil deren personelle und inhaltliche Schwächen auf der Hand liegen. Diese Chance durch interne Querelen zu gefährden, das weiß jeder in der SPD, wäre unverzeihlich. Deshalb wird die SPD die jetzt erreichte Geschlossenheit pflegen.
Führende SPD-Linke haben noch unmittelbar vor der Niedersachsen-Wahl ihre Kritik an Schröder zu Papier gebracht. Entscheidend für die Bundestagswahl seien „ehrgeizige Reformziele und mutige Visionen“, hieß es, nicht die Zustimmung zu einer Person. Hat die SPD aus dieser Sicht nicht doch den falschen Kandidaten?
Der Eifer, mit dem dieses Papier geschrieben wurde, zeigt, daß es bei Gerhard Schröder nicht um die Zustimmung zu einer Person mit bestimmten Charakteristiken geht. Er wird zu Recht mit einem politischen Konzept identifiziert, das offenbar manchen bei uns einiges abverlangt. Gerhard Schröder verkörpert den Kurs einer modernisierten, offenen, dynamischen Sozialdemokratie. Der Erfolg für ihn erklärt sich gerade auch aus der Zustimmung zu diesem politischen Konzept. Das muß – zugegeben – in den nächsten Wochen noch konkretisiert werden, um diese Zustimmung zu bewahren.
Weiten Teilen der SPD gilt Schröder als inhaltsleer. Man traut ihm zwar den Machtwechsel zu, nicht aber einen Politikwechsel.
Solche Argumente scheinen mir zunehmend rollenspielhaft, fast zeitlos klischeeartig zu sein. Wenn ich die Diskussionen in allen europäischen Sozialdemokratien vergleiche, so gibt es immer einen linken Flügel, der dem Mehrheitsflügel Konzeptionsarmut, Profillosigkeit und mangelnde Abgrenzung zum Konservativismus vorwirft. Das gibt es sogar in Frankreich gegenüber Jospin.
Aber hat Schröder nicht selbst gesagt, es gebe keine rechte oder linke Wirtschaftspolitik mehr, sondern nur noch eine moderne oder unmoderne?
Gemeint war damit ein Plädoyer für eine Wirtschaftspolitik, die sich Problemlösungen verpflichtet fühlt und nicht der Produktion von ideologischen Papieren für die Parteischublade. Die Frage ist, ob das jeweils angebotene Konzept dazu taugt, die Probleme zu lösen und die Lage der Menschen zu verbessern. Ich gebe zu, daß die von Schröder gewählte Formulierung mißgedeutet wurde, weil sie zu mißdeuten ist. Doch es geht Schröder darum: Er will den Nachweis führen, daß wir zur Lösung der Probleme, die die Menschen bedrücken, auch realisierbare Alternativen zu bieten haben. Das Schlimmste für unsere Demokratie wäre, wenn der Eindruck entstünde, es gebe zwischen den politischen Lagern keine umsetzbaren Alternativen mehr – etwa in bezug auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Das wäre verheerend. Deshalb beharrt Schröder auf realistischen Lösungskonzepten, jenseits aller Ideologismen.
Gegen die Arbeitslosigkeit hat Schröder mit seinem Pragmatismus während seiner achtjährigen Regierungszeit in Niedersachsen kaum etwas auszurichten vermocht. Die Bilanz ist niederschmetternd.
Diese Behauptung ist Unsinn. Wir haben gerade die statistische Auseinandersetzung über die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze mit der Opposition in Hannover hinter uns. Unter Berücksichtigung der von der CDU geerbten Strukturschwäche hat Niedersachsen unter Gerhard Schröder erhebliche Fortschritte gemacht. Im Saldo sind seit seinem Regierungsantritt weit über 50.000 zusätzliche Jobs in Niedersachsen entstanden. Die Grundlagen für eine neue Wirtschaftspolitik, die Arbeitsplätze schafft, können allerdings nur in Bonn, nicht in den Ländern gelegt werden. Deshalb ist die Wahl so wichtig. Schröder hat zuletzt am Beispiel der Preussag Stahl AG eindrücklich gezeigt, daß es ihm nicht nur um die Veränderung der Rahmenbedingungen geht. Wenn nötig, sind ihm kleine Taten auch jenseits von abstrakten ordnungspolitischen Vorstellungen allemal wichtiger als große Worte.
Das mit Preussag war eine wahlkampfbedingte Feuerwehraktion. Wird sie das Land noch teuer zu stehen kommen?
Auch dieser Vorwurf trifft nicht zu. Die Banken, die jetzt den Börsengang des Unternehmens vorbereiten, prognostizieren einen Ertrag für das Land, der weit über dem Kaufpreis liegen wird. Dem Steuerzahler wird diese strukturpolitisch gebotene Intervention deshalb ein Sondervermögen bescheren. Ein Erfolg für die Beschäftigten, für das Unternehmen und für das Land.
Verfolgt Schröder im Grundsatz nicht ein ganz altes, konservatives Wirtschaftsmodell, das nahe beim früheren CDU-Wirtschaftsminister Ludwig Erhard liegt; Motto: Brot und Arbeit für Beschäftigte kann es nur geben, wenn es den Unternehmern sehr gut geht?
Das Konzept Ludwig Erhards mag ein sehr altes sein, aber es ist von denen, die heute konservative Wirtschaftspolitik machen, verraten worden. Ludwig Erhard würde sich als Ordoliberaler im Grabe umdrehen, wenn er Sätze hören müßte wie diesen: Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht. Oder wenn er ein neoliberales Gedankengut als modern präsentiert bekäme, das behauptet: Wirtschaftspolitik ist nur dann richtig, wenn der Staat keine Rolle mehr spielt. Das hat mit Erhards Idee vom Interessenausgleich nichts zu tun. Sein Konzept beruhte darauf, der Wirtschaft Rahmenbedingungen für Wachstum und Entwicklung zu schaffen und gleichzeitig die Teilhabe der Arbeitnehmer zu sichern. An dieses, bei den Konservativen herrenlos gewordenes Konzept anzuknüpfen, scheue ich mich als Sozialdemokrat nicht.
Stichwort Neoliberale. Oskar Lafontaine hat Wolfgang Clement, der wirtschaftspolitisch ganz auf der Linie Schröders liegt, erst kürzlich einen „Neoliberalen“ genannt. Zielt das nicht auch gegen Schröder?
Ich weiß nicht, wer im Eifer des Gefechts wo welches Schimpfwort gegen wen gewendet hat. Aber Wolfgang Clement ist gewiß kein Neoliberaler, sondern er will einen leistungsfähigen Staat, der der Wirtschaft einen Rahmen für eine gedeihliche Entwicklung setzt und gleichzeitig die Interessen der Arbeitnehmer wahrt. Bei all den Diskussionen, die wir in der Partei miteinander führen, ist eines aber für jeden Sozialdemokraten klar: Die eigentliche Auseinandersetzung findet mit der Bundesregierung statt, denn von deren katastrophaler Wirtschaftspolitik trennen uns alle Welten. Und das werden wir in den kommenden Monaten klarmachen. Die Menschen in Deutschland wollen den Wechsel, und er wird kommen, wenn wir selbst keine großen Fehler machen. Die Union ist insgesamt mit ihrem Latein am Ende, auch wenn man Kohl nicht unterschätzen darf und er noch nicht besiegt ist.
Wäre eine CDU mit Schäuble an der Spitze für die SPD gefährlicher?
Nein, denn Schäuble gehört zu den wesentlichen Trägern der Bonner Koalition und zählt damit zu den Hauptverantwortlichen des Stillstands in Deutschland.
Auf vielen Feldern – Ökosteuer, Innere Sicherheit, Migrationspolitik – scheint der Abstand zwischen Schröder und den Grünen unüberwindbar groß. Wie soll da Rot- Grün funktionieren?
Gerhard Schröder wird gegebenenfalls deutlich machen, daß in einer Koalition der kleinere Partner nicht den Kurs bestimmen kann. Wenn die Grünen ihre Konzepte so präsentieren, als verfügten sie über eine eigene Mehrheit in diesem Land, sind Probleme unvermeidlich. Die politische Arbeit, ihre Forderungsberge auf akzeptable, realistische Höhen abzuschmelzen, müssen die Grünen schon selber leisten. Aber daß das möglich ist, zeigen ja die erfolgreichen Länderkoalitionen – auch in Nordrhein-Westfalen. Wir haben dabei den Wählern der SPD deutlich gemacht, daß wir auch in einer solchen Konstellation dafür sorgen, wichtige Großprojekte und Infrastrukturinvestitionen, die zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes nötig sind, durchzusetzen. Erst diese Botschaft, davon bin ich überzeugt, macht Rot-Grün in Deutschland möglich.
Sie wollen uns das rot-grüne Gewürge in Düsseldorf als Fundament für Rot-Grün in Bonn verkaufen?
Die Düsseldorfer Koalition ist aus den Konflikten gestärkt hervorgegangen. Sie muß ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen. Wenn die sozialdemokratische Wählerschaft erkennt, auch mit den Grünen bleiben zentrale wirtschaftspolitische Entscheidungen möglich, dann akzeptieren unsere Wähler die Rolle der Grünen als ökologische Wächterpartei und eine Vielzahl von grünen Projekten. In diesem Kontext sind die Grünen ein gewünschter Koalitionspartner mit hoher gesellschaftlicher Akzeptanz.
Also die Grünen als Mehrheitsbeschaffer für Bonn ohne Einfluß bei den wichtigen Themen?
Nein. Grüne Konzepte, auch im Bereich der Wirtschaftspolitik, sind in vielen Bereichen erfrischend modern. Da liegen große Gestaltungsräume einer Koalition. Führende Bundespolitiker der Grünen haben mit dem Fundamentalismus mancher Landespolitiker längst gebrochen. Interview: Walter Jakobs
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