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Von Innen und InnInnen

Die taz-Sprache droht zu vermännlichen. Ist das wirklich korrekt?  ■ Von Christian Rath

Das „große I“ (auch Binnen-I genannt) wird viel häufiger mit der taz assoziiert, als es tatsächlich noch im Blatt erscheint. Auch in diesem Blatt gibt es fast nur noch „Politiker“, „Künstler“ und „Sportler“. Dagegen wird über „PolitikerInnen“, „KünstlerInnen“ und „SportlerInnen“ in letzter Zeit kaum noch geschrieben, häufig werden solche Formulierungen sogar aus den Texten der KorrespondentInnen und AutorInnen herausredigiert. In einer zufällig herausgegriffenen Ausgabe lag der Anteil der Artikel mit „großem I“ unter zehn Prozent; von 41 Artikeln waren ganze drei Texte geschlechtsneutral gehalten.

Unsere LeserInnen pflegen da einen anderen Stil. In derselben Ausgabe waren mehr LeserInnenbriefe mit Binnen-I zu finden als solche in traditioneller Schreibweise. Kein Wunder, denn gerade in dem Milieu, in dem die taz überwiegend verankert ist, findet das Binnen-I weiterhin lebhafte Verwendung. In den neuen sozialen Bewegungen – wie etwa bei den Bündnisgrünen – wird heute vielerorts geschlechtsneutral geschrieben.

Für die (häufigere) Verwendung dieser Sprache gibt es viele Gründe. Noch immer ist das Binnen-I von kulturreformistischer Kraft, man reibt sich an ihm, diskutiert und denkt nach. Mit einfachen Mitteln kann so Bewußtsein ein bißchen verändert und erweitert werden. Und wie bei allen bewußtseinserweiternden Dingen, stellen sich gewisse Gewöhnungserscheinungen ein. Wer häufig geschlechtsneutral liest, schreibt oder sogar redet, stößt sich nun an der alten patriarchalen Sprache — und ist bei Lektüre der taz leider immer häufiger genervt. Schließlich ist der alte Slang nicht nur ignorant, sondern manchmal wirklich von geringerem Informationswert.

Im übrigen ist die geschlechtsneutrale Sprache auch ein Signal. Es besagt: Hier ist ein Raum, in dem Frauen ernst genommen werden. Wenn ausgerechnet die taz immer mehr auf dieses Signal verzichtet, so könnte dies umgekehrt als ein Symptom für den gesellschaftlichen Roll-Back empfunden werden — und das sollten wir nun wirklich vermeiden.

Nun könnte man sagen, die Inhalte sind doch wichtiger als die Sprache, in die man sie kleidet. Doch die Laxheit bei der Formulierung scheint (trotz quotierter Redaktion) auf die Nachrichten- und Themenauswahl durchzuschlagen. In der untersuchten taz- Ausgabe wurde über 27 Männer und vier Frauen in herausgehobener Form berichtet, das ergibt ein Verhältnis von etwa sieben zu eins. An der Nachrichtenlage kann das nicht gelegen haben. In der Badischen Zeitung, einer aufgeschlossenen Regionalzeitung, wurde am selben Tag immerhin ein Verhältnis von nur zwei zu eins zugunsten der Männer ereicht. Wenn die taz sich wieder als betont frauenbewußte Zeitung positionieren will, muß also einiges passieren.

Nach außen kann sie das am besten durch eine geschlechtsneutrale Sprache deutlich machen. Denn das ist ein auf den ersten Blick sichtbares Symbol, es knüpft an eine taz-Tradition an und (das freut die geplagte Geschäftsführung) kostet keinen Pfennig. Mit kaum einer anderen Maßnahme könnte die taz so effizient ausdrücken, daß sie anders ist als andere Zeitungen. Und dabei noch ihre kulturoptimistische Kraft zum Tragen bringen.

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