: „Diskontinuierliche Erwerbsbiographien“
■ Frauen verdienen weniger, weil sie die Kinder kriegen – meint Arbeitssenator Beckmeyer (SPD) – die CDU widersprach
Frauen hätten „diskontinuierliche Erwerbsbiographien“und würden deshalb weniger verdienen als Männer, belehrte Arbeitssenator Uwe Beckmeyer (SPD) die Abgeordneten in der letzten Bürgerschaftssitzung bei der Vorstellung des Arbeitsmarktberichtes. „Das soll wohl heißen, sie werden Mutter“, entgegnete die CDU-Abgeordnete Brigitte Dreyer und klärte Beckmeyer darüber auf, daß auch kinderlose Frauen schlechter bezahlt werden als ihre männliche Kollegen. Wir dokumentieren die Rede in gekürzter Form. Die Autorin, Brigitte Dreyer (51), ist Vorsitzende der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft. Sie ist verheiratet, kinderlos und hat – um mit Beckmeyer zu sprechen – eine kontinuierliche Erwerbsbiographie – u.a. als Psychotherapeutin.
Trotz positiver Entwicklungen in den letzten Jahren sind leider noch immer deutliche Benachteiligungen von Frauen feststellbar. Das Einkommen von Frauen liegt immer noch, trotz gleicher Ausbildung und gleicher Anforderung am Arbeitsplatz, durchschnittlich 20 Prozent niedriger als das ihrer männlichen Kollegen. Der Arbeitssenator formuliert dieses in seinem Arbeitsmarktbericht auch, geht aber dann leider nicht weiter auf die Aussage ein. Etwas verklausuliert finden wir lediglich einen Hinweis darauf, daß Frauen „diskontinuierliche Erwerbsbiographien“hätten. Das soll wohl heißen: Sie werden Mutter und unterbrechen für eine gewissen Zeit ihre berufliche Tätigkeit für die Erziehung ihrer Kinder. Dabei wird vergessen, daß auch Frauen, ob mit oder ohne Kinder, die ihre Berufstätigkeit niemals unterbrochen haben, leider noch immer deutlich weniger verdienen als Männer.
Die Frauen wissen es seit Jahren. Alle Statistiken bestätigen dies. Das Grundgesetz verankert die Gleichheit der Geschlechter, und auf europäischer Ebene ist der Grundsatz „gleicher Lohn für Männer und Frauen“bereits in den Römischen Verträgen seit 1957 festgeschrieben. Und trotzdem: Frauen wird für ihre Arbeit schlicht weniger Geld bezahlt! Die Ungleichheit ist mitnichten überwunden, und es wird leider noch ein weiter Weg für die Frauen werden, das zu ändern. Hier geht es nämlich nicht um Kinderkriegen, Herr Senator Beckmeyer, hier geht es um mehr. Hier geht es um einen Wandel in den Köpfen. Und der dauert bekanntlich etwas länger. Deshalb sagt die CDU deutlich, die Frauen unter „diskontinuierlichen Erwerbsbiographien“zu subsummieren, und damit das Lohngefälle zu erklären, ist nicht nicht nur unendlich schlicht – es ist auch unendlich falsch.
Nun zum Positiven. Da ist erstens die Entwicklung in der Frauenarbeitslosigkeit, die bundesweit und auch im Land Bremen in geringerem Umfang gestiegen ist als die der Männer, und zwar bis zu drei Prozent. Das heißt nicht, daß sie nicht zu hoch ist. Denn jeder Mensch ohne Arbeit ist genau einer zuviel, und das trifft auf Frauen und Männer gleichermaßen zu. Doch die drei Prozent Arbeitslosenquote macht etwas anderes deutlich. Frauen sind nicht mehr die Reservearmee auf dem Arbeitsmarkt, die man ruft, wenn Arbeitskräfte dringend gebraucht werden und die man entläßt, wenn zu viele Menschen nach zu wenig Arbeit nachfragen. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, daß gerade Frauen ihre Chancen in einer sich rasant entwickelnden Arbeitswelt nutzen werden. Die Veränderungen im Berufsleben können nach meiner Überzeugung auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Frauen gar nicht verzichten. Ich erfahre immer wieder, daß es gerade die Frauen sind, die mit ihrer Lernfähigkeit, der Sensibilität für das Neue und ihrem Vorstellungsvermögen für die Zukunft, die Veränderungen und den beruflichen Wandel am konfliktfreisten bewältigen.
Frauen bringen die Fähigkeit zur Schaffung eines innovativen Klimas mit, sie denken in Zusammenhängen und sie bringen Mut, Nerven und Gelassenheit in die sich wandelnde Arbeitswelt ein. Das sind beste Voraussetzungen, die immer stärker nachgefragt werden, die in der Dienstleistungsgesellschaft sowie in der Kommunikations- und Informationsgesellschaft einen besonders hohen Stellenwert haben. Wirtschaftsmagazine füllen damit ganze Seiten.
Wir wollen als CDU-Fraktion weg von der Defizitbeschreibung von Frauen. Das wird den Frauen nicht gerecht, das ist kränkend, und das ist kontraproduktiv. Keinem Mann würde es einfallen, bei einer Präsentation das in den Fordergrund zu stellen, was er leider nicht kann. Er wird niemals Fähigkeiten, die er gerade nicht besitzt, besonders hervorheben und betonen. Das machen die Frauen übrigens auch nicht. Nur einige Politiker hoppeln vielleicht noch ein bißchen hinterher, Herr Beckmeyer.
Brigitte Dreyer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen