Perspektive: Chefin oder erwerbslos

■ Ein Überblick über die Ergebnisse des Frauenkongresses

„Einbrüche, Umbrüche, Aufbrüche“– so lautete der Titel des Internationalen Frauenkongresses, bei dem 48 Referentinnen und etwa 700 Teilnehmerinnen aus dem In- und Ausland ein Wochenende lang über die „Globalen Chancen für Frauen in der Arbeitsgesellschaft“diskutierten. Gestern ging die vom Frauenkultur- und Kommunikationszentrum „belladonna“in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung initiierte Veranstaltung zu Ende.

Einbrüche: Massenerwerbslosigkeit ist kein vorübergehendes, sondern ein strukturelles Problem der „alten Industriegesellschaften“. Verantwortlich dafür sind gewaltige Rationalisierungsschübe, neue Informationstechniken, das Auswandern des Kapitals in „Billiglohn-Länder“, die Entgrenzung der nationalen Arbeitsmärkte, die steigende Nachfrage von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und das Anwachsen der Produktivität pro Arbeitsstunde, die sich in der BRD im Laufe der vergangenen 20 Jahre etwa verdoppelt hat. Strukturprozesse, die das alte Leitbild der „Vollbeschäftigung durch Wirtschaftswachstum“torpedieren. Trotz Wirtschaftswachstums registrieren wir Massenerwerbslosigkeit und einen drastischen Anstieg der unsicheren Beschäftigungsverhältnisse, die von der befristeten (Teilzeit-) Stelle bis hin zu diversen Formen „geringfügiger Beschäftigung“reichen. Während 1970 in Deutschland noch 15% der abhängig Beschäftigten unter solchen Bedingungen arbeiteten, lag ihr Anteil 1995 bereits bei 30%. Vor allem werden Frauen, obwohl sie sich im Laufe der vergangenen 20 Jahre stärker auf dem Arbeitsmarkt etablieren konnten, immer stärker auf diese nicht existenzsichernden Beschäftigungsverhältnisse zurückgedrängt.

Umbrüche:„Der Arbeitsgesellschaft geht nicht die Arbeit aus, sondern die existenzsichernde bezahlte Arbeit,“begann die Bonner Sozialwissenschaftlerin Dr. Gisela Notz ihren Vortrag. Eine deutliche Anspielung auf die Tatsache, daß der Anteil an unbezahlter Arbeit am Gesamtarbeitsvolumen in Deutschland beinahe ebenso groß ist wie der Anteil der bezahlten (Erwerbs-)Arbeit. Die Wissenschaftlerin plädierte für eine Umdefininierung des Arbeitsbegriffs, die die Bereiche ehrenamtlicher Tätigkeiten oder der Hausarbeit neu bewertet. Allerdings warnte sie vor der Gefahr, damit den vornehmlich von Männern besetzten ersten und zweiten Arbeitsmarkt als deren Domäne zu sichern. Die Aufhebung der patriarchalen geschlechtshierarchischen Arbeitsteilung sei eine Voraussetzung, um der wachsenden „Feminisierung der Armut“zu begegnen: Derzeit liege der Anteil der Frauen an der Armut weltweit bei 70 Prozent.

Diese Zahl allerdings suggeriert eine Gleichsetzung der Frauen, die so, wie die Berliner Psychologin Birgit Rommelspacher hervorhob, nicht existiert. „Auf der einen Seite die verdienenden Männer, auf der anderen die ausgegrenzten Frauen, diese Argumentationslinie ist zu einfach.“Die eigentlichen Verliererinnen des Umbaus der Industriegesellschaften seien nicht die Frauen generell, sondern die Migrantinnen. Sie gehen unter in einer Demokratie, die als Macht der Mehrheiten ein verschachteltes System der Polarisierungen erzeuge und all die marginalisiere, die als wertlos gelten. An diesem Prozeß wirke auch der westliche Feminismus mit, der als Teil der Dominanzkultur Kli-schées erzeuge oder bestätige, über die Polarisierungen gesellschaftlich abgehandelt werden.

Aufbrüche: „Wenn du scharf bist, mußt du rangehn.“So lautet die Devise von Sabine Klenke, Direktorin der BfG Bang AG Bremen. Sie gehört zu den etwa 5 Prozent, mit denen Frauen in Deutschland in Leitungspositionen und gehobenem Management vertreten sind. Sie intepretiert den Wandel der Industriegesellschaften als Chance für Frauen. „Ob Frauen die Chefinnen der Zukunft werden, ist vor allem davon abhängig, ob sie das wollen.“Babypause und Topmanagement allerdings, mußte sie eingestehen, sind nicht zu vereinbaren.

Mitarbeiterinnen großer Unternehmen, des DGB, der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände und der Bundesministerien für Bildung/Wissenschaft und Frauen/Familie glauben dagegen, daß es nicht reicht, den Willen zur Macht zu haben. Sie haben einen Verein gegründet, der sich für mehr Chancengleichheit in den Betrieben und gerechte Entlohnung der Frauen stark macht. Als Instrument dient das Prädikat „Total E-Quality“, das an Unternehmen verliehen wird, wenn sie bestimmten überprüfbaren Kriterien entsprechen. Um dieses Prädikat, das im Vorjahr erstmalig vergeben wurde, bewerben sich immer mehr Firmen –schon weil es große Vorteile im Marketing verspricht.

Dora Hartmann