: Girlanden für Vajpayee
■ Die indische BJP bestimmt ihren Kandidaten für das Amt des Regierungschefs
Dehli (taz) – Viele indische Zeitungen brachten gestern auf der ersten Seite das Bild eines Mannes, der von Girlanden so überhäuft ist, daß sein Gesicht nicht mehr zu erkennen ist. Atal Behari Vajpayee war am Tag zuvor per Akklamation zum Kandidaten der hindu- nationalistischen Bharatiya Janata-Partei (BJP) für das Amt des Regierungschefs gewählt worden, und Gratulanten überhäuften ihn mit Blumengebinden. Zu ihnen gehörten auch die Vertreter der Kleinparteien und einige Unabhängige, die zusammen beinahe 100 Sitze zu den 252 Mandaten der BJP-Allianz beitragen. Es war wie eine vorgezogene Inthronisation des neuen indischen Premierministers.
Staatspräsident K. R. Narayanan wird zwar noch einige Tage warten müssen, bis er Vajpayee zur Regierungsbildung einlädt. Am Samstag wurde in den zwei Wahlbezirken des Kaschmirtals gewählt, und bis zur offiziellen Ausrufung dieser Resultate sind dem Präsidenten die Hände gebunden. Dies hat der BJP Zeit gegeben, ihre Herde um sich zu scharen und die Schäfchen zu zählen. Es fehlen ihr noch zwanzig Stimmen, aber sie hat Zusicherungen von weiteren zehn Abgeordneten.
Vor allem aber haben ihre Gegner diesmal noch keinen Anspruch auf die Regierungsbildung erhoben. Die Kongreßpartei, die mit ihren Alliierten auf 162 Mandate kommt, ist sich uneinig, ob sie schon jetzt das Handtuch in den Ring werfen will. Und wie üblich hat sie Sonia Gandhi gebeten, ihr bei dieser Entscheidung zu helfen. Diese hat sich aber, nachdem sie ihren Beitrag zur Einigung der Partei geleistet hat, wieder in ihr sphinxhaftes Schweigen zurückgezogen.
Der Grund für die Unsicherheit des Kongresses – und die Zuversicht der BJP – liegt bei der Vereinigten Front. Dieser droht nach ihrem schlechten Wahlresultat die Spaltung: Eine der beiden Kommunistischen Parteien sowie die Samajwadi-Partei wollen eine Kongreßregierung unterstützen, aber vier andere Partner schließen jede Zusammenarbeit aus. Sie haben sich hinter die Regionalpartei Telugu Desam geschart, deren Präsident Chandrababu Naidu am Freitag sagte, es komme nicht in Frage, eine Partei nun dafür zu belohnen, daß sie die Regierung der Vereinigten Front zu Fall gebracht hat. Der Kongreß hatte im November der Front ihre Unterstützung entzogen und damit vorzeitige Neuwahlen ausgelöst. Bernard Imhasly
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