: Die Pappe ist gefährdet
■ Verschärftes Straßenverkehrsgesetz: 3.000 Mark Buße für Drogenrückstände im Blut
Zwei Joints pro Tag sollten es schon sein. Zumindest für Männer, bei Frauen reiche etwas weniger. So forderte es der Wirtschaftsminister im letzten Sommer auf einem Hanffest in Bockenheim, einem Dorf an der „Deutschen Hanfstraße“. Schließlich, so der oft für höhere Weihen gehandelte FDP- Mann, sei solch ein täglicher Drogenkonsum ein „Beitrag zur Wirtschaftsförderung des Landes“.
Die Deutsche Hauptstelle gegen Suchtgefahren kritisierte des Ministers verharmlosende Aufforderungen, die Opposition hakte im Landtag nach. Ironisch wollte sie wissen, ob regelmäßiges Kiffen denn auch bei den Regierungsmitgliedern an der Tagesordnung sei. Ja, erklärte der Minister immer noch recht spaßig, alle KollegInnen nähmen ihre „Vorbildfunktion sehr ernst“. Nein, das geschah natürlich nicht. Von Alkohol war die Rede. Eine Flasche Wein solle ein rheinland-pfälzischer Mann täglich trinken, hatte Rainer Brüderle (FDP) angeregt. Damit kam er sogar den speziellen Anforderungen seines Jobs nach, schließlich ist er außer für Wirtschaft auch für Weinbau zuständig. Und für „Verkehr“. Autoverkehr und Rauschmittelgenuß lassen sich unter einen Hut bringen.
Bei anderen Drogen wäre der Aufschrei groß gewesen. Gegenüber Cannabisfans am Steuer gab es nach Ansicht der Bundesregierung immer noch eine „Ahndungslücke“, diese hat sie nun geschlossen. Im November wurde das „Verbot von Drogen am Steuer“ (Pressemitteilung des Bundesverkehrsministeriums) verabschiedet. In Kraft treten wird es erst zusammen mit der veränderten Promillegrenze, die noch einer Kanzlermehrheit im Bundestag bedarf. Ende März soll die Neufassung des Straßenverkehrgesetzes im Bundesgesetzblatt stehen: Fahren unter Einwirkung eines „berauschenden Mittels“ wird nach Paragraph 24a als Ordnungswidrigkeit geahndet, 3.000 Mark Buße oder drei Monate Fahrverbot drohen. Die verschiedenen Drogen sind in einer Liste aufgeführt, die Cannabis und andere Drogen erwähnt.
Weniger einfach fiel die Definition, was genau eine Wirkung sein soll. Der Bundestag entschied sich für die schärfste Variante. Nun soll es ausreichen, daß die Rückstände einer Droge in irgendeiner Form im Blut nachgewiesen werden, so daß man noch nach zwei drei Wochen erwischt werden kann.
Bei Haschisch und Alkohol am Steuer wird immer noch mit zweierlei Maß gemessen. Gerichte können sogar erklären, warum. So wurde ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim von 1995 sogar als richtungweisend in die Sammlung straßenverkehrsrechtlicher Urteile aufgenommen. Schon der nachgewiesene Erwerb von Haschisch reiche aus, um jemand zum Drogentest vorzuladen, entschieden die höchsten Verwaltungsrichter Baden-Württembergs.
Nicht so der Kauf von Alkohol. Es könne „nicht übersehen werden, daß Alkohol eine Vielzahl von Verwendungsmöglichkeiten hat, denen auf seiten der rauscherzeugenden Bestandteile und Produkte der Cannabispflanze nichts Vergleichbares gegenübersteht“. Obendrein sei beim Alkohol die „berauschende Wirkung [...] allgemein bekannt und wird durch soziale Kontrolle überwiegend vermieden. Demgegenüber steht beim Cannabiskonsum typischerweise die Erzielung einer berauschenden Wirkung im Vordergrund.“ Wer kifft, der fährt eben auch kleine Kinder tot.
Eine Instanz tiefer ging es kürzlich etwas milder zu. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe entschied im Januar zugunsten von zwei „Fahrerlaubnisinhabern“, die einen Drogentest verweigert und deshalb den Führerschein entzogen bekommen hatten. Beide hatten zugegeben, „gelegentlich Haschisch zu konsumieren“. Das heiße noch nicht, daß sie „regel- oder gewohnheitsmäßige Haschisch- bzw. Marihuanakonsumenten“ seien, entschied das Gericht. Und: „In keinem der Fälle sei festgestellt worden, daß ein Kraftfahrzeug unter Drogeneinfluß geführt worden sei.“ Matthias Fink
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