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Innenminister Kanther will Albaner auch weiter in den Kosovo abschieben

■ Bundesinnenminister: SPD-Länder durchbrechen Konsens bei Ausländerpolitik und geben widersprüchliches Signal ins Ausland

Bonn (AFP/AP/taz) – In der Kontroverse um die Abschiebung von Albanern in die serbische Unruheprovinz Kosovo hat Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) gestern mehreren SPD-geführten Bundesländern vorgeworfen, den Konsens in der Ausländerpolitik durchbrochen zu haben. Kanther warnte im Deutschlandfunk, mit dem vorübergehenden Abschiebstopp in Ländern wie Niedersachsen und Nordrhein- Westfalen werde ein widersprüchliches Signal ins Ausland gesandt. Dort könne der Eindruck entstehen, Menschen sollten illegal nach Deutschland kommen und würden es dann irgendwie schaffen, dort zu bleiben. Die Lage im Kosovo sei allgemein nicht so, daß Leib und Leben von Abgeschobenen gefährdet würden. Zwar gebe es in einigen Regionen schlimme Menschenrechtsverletzungen. Ein von mehreren SPD- Ländern ins Gespräch gebrachter, genereller Abschiebestopp sei aber nicht zu verantworten.

Auch Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) kritisierte den vorübergehenden Abschiebestopp als „völlig falsch“. Er warf dem niedersächsischen Innenminister Gerhard Glogowski einen Bruch von Absprachen in der Flüchtlingspolitik vor. „Das von Niedersachsen und anderen SPD-Ländern gesetzte politische Signal ist völlig falsch“, sagte Beckstein. Das Risiko sei viel zu groß, daß eine pauschale Duldung von Kosovo-Albanern in Deutschland eine „Sogwirkung für neue Flüchtlingsströme auslöse“. Bayern werde weiterhin Straftäter, ethnische Serben und junge Männer, „denen zuzumuten ist, daß sie sich einen neuen Lebensmittelpunkt suchen“, abschieben, betonte der Innenminister. Allerdings würden die Kosovo-Albaner nicht in das Krisengebiet zurückgeschickt, sondern nur noch nach Belgrad. Um sicherzugehen, daß die serbischen Behörden nicht wie in der vergangenen Woche ein Charterflugzeug aus München absprachewidrig in den Kosovo umleiteten, würden die Albaner jetzt ausschließlich mit Linienflugzeugen transportiert.

Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wilfried Penner (SPD), nannte es „wünschenswert“, wenn die Innenminister insgesamt zu einer einheitlichen Linie fänden. Amnesty international forderte, auch straffällig gewordene Albaner dürften nicht in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. Amnesty-Flüchtlingsreferent Wolfgang Grenz sprach sich mit Nachdruck für einen grundsätzlichen Abschiebestopp in den Kosovo aus. Menschenrechte gälten auch für Straffällige, „nicht nur für die, die sich wohlgefällig verhalten“, sagte er.

Nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker demonstrierten gestern in Bonn mehrere hundert albanische Familien für einen Schutz der Albaner im Kosovo durch die SFOR-Friedenstruppe. Der Bundesvorsitzende der Gesellschaft, Tilman Zülch, erklärte, angesichts von Mord und Terror im Kosovo Flüchtlinge zurückzuführen, sei „ein Verbrechen“. Er nannte Beckstein einen „Mann ohne Gnade“. Bis zur Klärung der Lage müsse genereller Abschiebestopp gelten.

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