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Königlicher Empfang ohne Türken

Regierungschef Yilmaz boykottiert die heutige Europakonferenz in London. Doch die meisten Türken wollen weiterhin Kontakte zur Europäischen Union  ■ Aus Istanbul Dilek Zaptçioglu

Die türkische Regierung verschmäht die Einladung der Queen. Wenn sich morgen in London 26 europäische Staats- und Regierungschefs ein Stelldichein geben, um sich bei der ersten Europakonferenz zuzuprosten, wird Mesut Yilmaz in Ankara bleiben – aus Protest gegen die Weigerung der EU-Regierungschefs, auch die Türkei in die Europäische Union aufzunehmen.

Unterdessen sind andere um Schadensbegrenzung bemüht. „Die Sicherheit und Stabilität in Mittel- und Osteuropa ist notwendig, aber nicht ausreichend. Die Integration muß auf die südlichen Grenzen der EU ausgedehnt werden. Die EU ist im Timing und der Strategie ihrer Ausdehnungspläne ungeschickt vorgegangen.“ Diese Worte stammen aus dem Mund Lamberto Dinis. Der italienische Außenminister sprach in seinem gestern in dem Massenblatt Hürriyet veröffentlichten Artikel den Türken aus der Seele: Euch ist Ungerechtigkeit widerfahren. Bitte schmollt jetzt nicht, sondern bleibt dabei.

Trotz der Abwesenheit der Türkei bei der Konferenz möchte die Mehrheit der Türken weiter Kontakte zur EU. Eine totale Ablehnung des Gedankens „Europa“ ist auf eine Minderheit begrenzt. Gleichwohl ist die Enttäuschung über die als „bewußte Ausgrenzung“ empfundenen Luxemburger Beschlüsse groß. Yilmaz' Entscheidung, nicht nach London zu fahren, bringt ihm im Land Beifall ein. Und zwar nicht nur von der Wählerschaft, sondern auch von Seiten der Militärs, die im Nationalen Sicherheitsrat diese Entscheidung ausdrücklich begrüßt haben.

Den Schuldigen macht die türkische Öffentlichkeit in der Person Helmut Kohls fest, dem „die Vision eines multikulturellen, multireligiösen großen Europa“ fehle. Die neoliberale Zeitung Yeni Yüzyil bescheinigt dem Bundeskanzler, „die europäische Integration unter der deutschen Dominanz“ durchzusetzen und Mittel- und Osteuropa als ein „Tampongebiet zwischen Deutschland und Rußland“ unter seinen Einfluß nehmen zu wollen – eine höflichere Form der von Yilmaz formulierten „Lebensraum“-These. In der Meinung der Türken ist derzeit nicht mehr Griechenland der böse Bube, sondern Deutschland. Kohl wird beschuldigt, im Wahljahr die Türkenfeindlichkeit im eigenen Lande zu instrumentalisieren. Die Kritik der Spanier, Franzosen und Italiener an der deutschen Dominanz in der EU wird mit Wohlwollen registriert – die Mittelmeerländer als natürliche Verbündete gegen Bonn wahrgenommen. „Avrupa“ wird in den Augen der Türken in diesen Tagen zum ersten Mal mit seinen inneren Widersprüchen registriert.

Ein anderes Novum: Die türkische Öffentlichkeit nimmt die Demokratie- und Menschenrechtsargumente der EU wie noch nie zuvor wahr. Als es am Internationalen Frauentag in Istanbul wieder zu heftigen Gefechten zwischen Demonstranten und der Polizei kam, titelten Zeitungen: „Eine Feier auf türkische Art“. Dieser selbstkritische Blick von außen indiziert ein Unbehagen über die vielkritisierten Verhältnisse im Land. Gleichwohl herrschen Zweifel über „die wahren Absichten“ der Europäer – die Frage, ob man auch mit tadellosem Anzug und frisch rasiert in das schicke Restaurant Europa hineingelassen würde, bleibt für viele unbeantwortet.

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