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Richtiger Mann – toter Mann

■ Johnny-Chansons mit Pohle/Süßmilch im Jungen Theater

Wenn es bei einem Chansonabend um den „richtigen Mann geht“, schaut man sich gern schon mal vor der Vorstellung im Foyer um. Registriert wurden im Jungen Theater am Donnerstag abend: Ein Mann in einem ganz passablen Jacket, darunter zwei Oberhemden (ungebügelt), darunter eine schlabberige Hose (halboffen). Trashig könnte man diesen Aufzug gutwillig nennen, doch sicher kommt der Richtige so nicht daher. Dann ein geleckter Ästhet mit Backenbart, blutleer, aber geschwätzig wie ein Adelsemissär am Hofe des Sonnenkönigs. Kommt also auch nicht Frage. Stark vertreten war die Zunft der Pädagogen, normal und harmlos wirkend, von zurückhaltender Neugier, mancher gezeichnet vom Beugegelübde, das ihm die moderne Frau abgerungen hat. Ist das der „Mann, den sie sich erträumt, der Mann, der Man(n) sein möchte“?

Christiane Pohle und Rainer Süßmilch starteten schließlich die Suche auf der Bühne: „Johnny!“beschworen sie ihn ein ums andere Mal, „Johnny!“Sein Name war Programm, denn „Johnnys“gibt's, da macht man nichts verkehrt, wie Sand am Meer. Und so kamen sie denn, wie gerufen, aus selbigem hervorgetaucht: Ganze Mannschaften von Matrosen, mit Muskeln und einem Seesack voller Whisky und Wehmut beladen. Längst untergegangene Galionsfiguren kraftstrotzender Treulosigkeit. „Johnny, tu n'es pas un ange“, klagen die Wartenden am heimischen Gestade oder „Beim ersten Mal, da tut's noch weh“. Ach, Johnnys, entschwunden seid ihr allesamt, doch lange nicht vergessen. Im Übrigen, wo liegt eigentlich Surabaya?

Die Suche scheint vergeblich und schäumt zu einem letzten Seemannsliedermedley auf. Doch siehe, am Horizont dräut bereits der lichte Morgen: Ein neuer Johnny erscheint, einer wie John Maynard, der das Schiff an Land bringt und dafür sein Leben läßt. Ein Held, ein Soldat. Mit ihm konkurrieren allerlei Gangster und Cowboys um die Gunst der Liebe, doch allen scheint, „Good bye, Johnny“, gemeinsam, daß nur ein toter Mann ein richtiger Mann ist. Ein letzter Versuch, das Objekt der Begierde greifbar zu machen, endet schließlich bei den Pazifisten, bei den altvorderen Romantikern und neuvorderen Hippies und Popstars. Doch was sagen die dazu? „Let it be!“

Die zweistündige Suche nach dem wahren Johnny endete in der Erkenntnis, daß er ein Trugbild ist, ein Hirngespinst. Nichts Neues also. So wenig neu wie das Thema selbst. Ihm mit Zitaten aus dem musikalischen Nachlaß der Menschheitsgeschichte näherkommen zu wollen, ist paradox. Auch wenn sie so fleißig zusammengetragen wurden und hübsch arrangiert sind. Die Hamburger Schauspielerin Christiane Pohle und ihr Kollege Rainer Süßmilch glänzten durch Sangeskunst und virtuoses Spiel auf Ukolele, Akkordeon, Posaune und Kontrabaß. Doch selbst die rundesten Balladen leiern irgendwann aus. Besonders, wenn sie so hochwertig brav und, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bruchlos vorgetragen werden. Ohne das Feuer des Widerspruchs, rein im Narrativen dümpelnd. Dem Publikum wurde ein Johnny präsentiert, der sich dem Kampf der Geschlechter feige entzogen hat. Keine Spur von Streit auf der Bühne, keine Auseinandersetzung. Zwischen den beiden DarstellerInnen passierte rein gar nichts. Zwei SolistInnen im Duett – vielleicht ist das ja die Lösung? Dora Hartmann

„Johnny“kommt heute abend um 23 Uhr ins Junge Theater

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