■ Querspalte: "Einmal Pommes rotweiß!"
Schnell, viel, billig. So ißt er, der Deutsche. Und so ist er, der Deutsche. Schnitzel mit Zigeunermasse und Bratkartoffeln, dazu fünf Salatblättchen mit Dressingklecks, etwas gehobelter Weißkohl und zwei Glas Bier für 14,99 Mark. Das Schnitzel sollte zwei Zentimeter über den Tellerrand wabern, bei den Bratkartoffeln muß der Esser von fünf Gramm Verzehrsubstanz zehn Gramm Gewicht zunehmen. Da strahlt der deutsche Wichtelmann und bestellt noch einen Korn, den er „Schnäpschen“ nennt. Und noch einen. Dann rülpst er, geht nach Hause, streichelt die Wampe und behauptet, er war „schön essen“ mit seiner Frau. Die „Centrale Marketinggesellschaft der Agrarwirtschaft“ hat es aufgedeckt: Wir gehen immer öfter essen und immer billiger. 31,82 Mark zahlt Dieter Durchschnitt pro Woche fürs Dinieren außer Haus. Während Bankkonten und Bauchumfang zulegen, befinden sich Eßkultur und Genuß auf steiler Gefällstrecke. Wenn wir irgendwann für die Zombieware eines halben Grillhähnchens 1,99 Mark bezahlen, sind wir am Ziel. Der geklonte Turbohahn, der dann am Spieß hängt, dürfte durch eine Dauerinfusion mit Gentech-Soja-Highspeedprotein binnen drei Tagen nach dem Ausschlüpfen zur Schlachtreife gelangt sein. Der ihm anhängende Briefmarkengeschmack wird durch Aufsprühen des in sechs Aromastufen verfügbaren Geschmacksprays „knorri-light“ beseitigt.
Der Widerspruch: Je billiger und elender wir essen, desto mehr schicke Kochbücher kaufen wir. Das erhärtet die These, daß der ganze Küchen-Zauber in den Buchläden und in der Glotze, die ganze Biolekeriade in erster Linie Surrogat sind. Kochbuch und -sendung bieten die Illusion der jederzeit produzierbaren Leckerei, die längst die real existierende, mit Aufwand und vor allem mit Kosten zubereitete Köstlichkeit abgelöst hat. Richtig Geld gibt der Deutsche dann doch lieber für Rallyestreifen und Heckspoiler aus als für Hechtklößchen und B÷uf Stroganoff mit Sahnehäubchen. Die gibt's außerdem im TV bei „Bio“ ganz umsonst. Manfred Kriener
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