„Das Risiko ist hoch“

■ Ausländische Lesben und Schwule ziehen bei derAusländerbehörde die Tarnkappe auf / Aus gutem Grund, sagen parteiliche Berater

ein Land in Sicht. Diese Entmutigung rufen sich Bremer Lesben und Schwule, die für ihre ausländischen Liebsten ein Aufenthaltsrecht wollen, wohl auch weiterhin zu. Ob ihre PartnerInnen den Bleibe-Stempel in den Paß bekommen, hängt nämlich vom „Ermessen“der jeweiligen Beamten in der Ausländerbehörde ab. Das ergibt die jüngste Stellungnahme der Bremer Innenbehörde auf eine Anfrage der Bremer Grünen. Doch dem „Ermessen“der Ausländerbehörde oder richterlichen Urteilen lieferten sich Lesben und Schwule in Bremen bisher offenbar ungern aus.

Anders als in Hessen oder Brandenburg ist im kleinsten Bundesland bislang kein binationales Lesben- oder Schwulenpaar vor den Kadi gezogen, um dort das Aufenthaltsrecht zu erstreiten. Ein Fall, der strittig hätte werden können, wurde vom Ausländeramt per Duldung geregelt: Ein schwuler „Lebenspartner“durfte bleiben – nicht wegen der schwulen Beziehung allerdings, sondern wegen seiner HIV-Infektion. Eine Abschiebung hätte, wegen mangelnder medizinischer Versorgung im Heimatland, unmenschliche Härte bedeutet, sagt der Leiter der Ausländerbehörde, Dieter Trappmann.

Beim Verband binationaler Familien und Partnerschaften (IAF) rät Jörg Wegener gleichgeschlechtlichen binationalen Paaren dennoch „zur Vorsicht“mit dem Bremer Ausländeramt. „Die Behörden in Hamburg, Hessen oder Nordrhein-Westfalen sind liberaler.“Auch sei in Bremen das Ausweisungs-Risiko für den ausländischen Geliebten wegen des Ermessensspielraums der Beamten unkalkulierbar hoch. Ohnehin gebe es das klassische Paar, das die Kriterien für eine Aufenthaltserlaubnis erfülle, kaum. So müsse beispielsweise eine gemeinsame Wohnung per Meldebescheinigung nachgewiesen werden – „aber wie soll ein Paar, daß sich im Urlaub kennengelernt hat und sich nur häufig besucht, die bekommen?“Auch daß der deutsche Partner das Paar mit seinem Gehalt durchbringen muß, sei für junge Leute eine große Hürde – und von denen gebe es in Bremen viele.

Allein im vergangenen Jahr haben bei der IAF 30 zumeist schwule Paare um Rat gefragt; selbst das „Rat&Tat-Zentrum für Homosexuelle“verweist dorthin. Doch am Ende wählen viele Betroffene Schleichwege durch den Paragrafendschungel des Ausländergesetzes. Für die Türkin Emine* beispielsweise unterschreibt der Bruder der deutschen Liebsten seit vier Jahren, daß er für den Unterhalt „der Verlobten“aufkommt, solange diese noch offiziell studiert. Eigentlich aber lebt Emine bei der deutschen Freundin – und verdient zu deren Einkommen mit illegalen Putzjobs dazu. Emine und Petra zittern, wie lange das noch gutgeht.

Und auch dem Mexikaner Eduardo ist mit seiner „privaten Lösung“nicht ganz wohl. Um bei Freund Jannick bleiben zu können, hat der 29jährige eine gutherzige Hetero-Freundin geheiratet. Eine Auswanderung nach Mexiko käme für seinen 46jährigen Freund und Computer-Fachmann Jannick nicht in Frage. Jetzt hoffen die beiden, daß die Scheinehe bis zur geplanten Scheidung und einer darauf folgenden Aufenthaltserlaubnis unauffällig verläuft. „Sonst wird es brenzlig“. Sie befürchten wie viele Betroffene Komplikationen – und schweigen deshalb lieber über ihre juristischen Probleme. „Je weniger Leute Bescheid wissen, desto besser. Es braucht ja nur mal einer beim Ausländeramt zu quatschen, dann ist der Ärger groß.“

Für Mario und Andreas ist der Ärger jetzt schon groß. Die beiden Frischverliebten sind ganz für die Homo-Ehe – oder wenigstens für einen legalen Partner-Aufenthalt für Mario. Deshalb waren sie schon bei der Ausländerbeauftragten und beim Ausländeramt. „Aber da konnte uns niemand helfen. Die Leute wissen nicht Bescheid“, schimpft Mario. Jetzt überlegen sie, ob und wie sie in die Offensive gehen. „Wir wollen zusammenbleiben“, umarmen sich der 23- und 24jährige bei jeder Gelegenheit. „Und zwar in Deutschland“, setzt Andreas hinzu. In Marios Heimatland Paraguay zu kellnern, kann er sich nicht vorstellen.

Jörg Wegener von der IAF macht den Freunden zur Zeit wenig Hoffnung auf eine leichte Lösung – obwohl sie irgendwann einmal gute Chancen auf ein legales Zusammenleben haben könnten. Schon jetzt teilen sie eine Wohnung und einen „notariellen Partnerschaftsvertrag“, der die Beziehung mit allen Pflichten besiegelt, würden sie sofort unterschreiben – wenn es nützen würde. „Aber wer garantiert, daß das gutgeht?“, fragt Wegener. „Überspitzt gesagt, müssen Mario und Andreas nur an einen Beamten geraten, der ihnen nicht abnimmt, daß sie überhaupt schwul sind.“Er fordert deshalb, daß Bremen wie Nordrhein-Westfalen feste Richtlinien für die Ermessensentscheidung vorlegt. ede

*Namen und Nationalität der Betroffenen wurde auf Wunsch geändert