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Der Castor rollt, die Polizei räumt

■ Am Sammelplatz Walheim waren gestern abend die Atommüllbehälter aus Gundremmingen angekommen. Ein Tunnel unter der Straße bei Neckarwestheim war geräumt. Am Zielort Ahaus marschiert die Polizei auf

Berlin/Neckarwestheim/Gundremmingen (taz) – Diesmal versucht es die Polizei mit der Überraschungstaktik: Drei Castor- Behälter nach Ahaus wurden schon gestern auf die erste Etappe geschickt. Damit hat sie Hektik unter der Anti-Castor-Bewegung ausgelöst. In Ahaus befürchten manche schon für heute die Ankunft des Castor-Zuges. Die nordrhein-westfälischen Polizeikräfte erhielten einen neuen Marschbefehl, wonach sie bereits gestern abend ab 18 Uhr in Ahaus einsatzbereit sein sollten. Rund um das Zwischenlager befestigten sie zusätzliche Schutzzäune.

Die BI „Kein Atommüll nach Ahaus“ kritisierte die Räumung von zwei Camps im Süden und Norden von Ahaus. Auch das Ahaus-Camp der Anti-Atom-Kämpen aus dem Wendland wurde bereits von der Polizei geräumt. Die Wendländer Castor-Gegner wollen jetzt schon heute zum Zwischenlager ins Münsterland aufbrechen, um den Transport auf keinen Fall zu verpassen.

Gestern um 14 Uhr war der erste Castor-Zug in Gundremmingen an der Donau losgefahren. Mit nur 800 Polizisten als Wachschutz rollten drei Großcastoren vom Typ V/52 aus dem Tor des AKW. Nur für einen kurzen Moment gelang es zweien der wenigen Demonstranten, sich auf die Gleise zu setzen. Die drei Eisenbehälter mit ihren hochradioaktiven Brennelementen liefen um 18 Uhr in Walheim am Neckar auf dem Gelände eines stillgelegten Kohlekraftwerks ein. Die restlichen drei Castor-Behälter für das Ahaus-Sixpack rollten kurz darauf im nahe gelegenen AKW Neckarwestheim los.

Die einzige Castor-Straße zwischen AKW und Walheim, die B 27, wurde gestern durch zwei heimliche Tunnelgräber blockiert. Trotz ständiger Polizei- und Wachschutzstreifen war es ihnen gelungen, sich unter der Bundesstraße zu verbarrikadieren. Es dauerte trotz Baggereinsatzes bis gestern abend um 17.30, bis die Polizei auch den zweiten Besetzer aus dem Loch gezerrt hatte. Stahlplatten über der unterhöhlten Stelle sollen nun ein Einsacken der 120 Tonnen schweren Castoren verhindern. Vor dem Tor des AKW hatten sich etwa 500 Leute niedergesetzt. Die Hälfte von ihnen ließ sich am späten Nachmittag von der Polizei wegtragen und hinter dem Zaun des AKW in Gewahrsam nehmen. Der Weitertransport nach Ahaus auf der Schiene wurde in Neckarwestheim noch für die Nacht erwartet.

Noch morgens hatte das zuständige Polizeipräsidium in Münster Mittwoch, den 25. März, mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ als Tag X bestätigt. Gestern nachmittag hieß es dann plötzlich, daß darüber auch die Polizei in Süddeutschland mit entscheide. „Der genaue Termin steht noch nicht fest und wird kurzfristig nach Lage der Dinge entschieden“, so ein Polizeisprecher aus Münster. Der Einsatzbefehl für die Polizei ist bis zum 29. März befristet.

In Ahaus kam es zu ersten spontanen Protestaktionen. 400 Schüler eines Gymnasiums hätten vorübergehend eine Straße im Stadtzentrum besetzt, sagte ein Sprecher der Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“. Die Demonstranten hätten die Blockade freiwillig nach einer Stunde wieder beendet. Anti-Atom-Initiativen riefen dazu auf, trotz der Vorverlegung massenhaft in die westfälische Stadt zu kommen. Gestern abend demonstrierten bereits 2.000 Leute in Ahaus. Auch die Kultur will eingreifen: Die Toten Hosen haben ihr Kommen angesagt, meldete gestern das Radio Westmünsterlandwelle.

Nach Informationen der Initiative hat die Deutsche Bahn AG die Bahnstrecke Düsseldorf–Ahaus–Gronau, Münster– Coesfeld und Münster–Gronau gesperrt. Die Bahn bestritt dies. rem/ten/kw/hp Reportagen Seite 2

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