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„Klein, dick und fett“

Einen Amtsgerichtsprozeß um Parklückenklau und unflätige Beleidigung, Steuergeld- und Zeitverschwendung beobachtete  ■ Elke Spanner

Ein Wasserfall ist nichts dagegen. Der Redeschwall von Christel S. ergießt sich über die Menschen im Prozeßsaal wie ein Frühlingsschauer über die Vergißmeinnicht. Noch heute steht der 55jährigen die Empörung ins Gesicht geschrieben, und jetzt möchte sie dem Amtsgericht bitte mal erzählen, was sich an jenem Novembertag ereignete. Wie die Jungs sich bedrohlich vor ihr und ihrem Mann aufbauten – nur, weil sie eben schneller in der Parklücke waren. Wie sie sie beschimpft hätten. Und bepöbelt, also so was „hab ich in meinem Leben noch nicht gehört“. Ist doch egal, welcher der Männer da genau was gesagt hat, blockt sie alle Fragen des Gerichts ab, die Worte seien eben gefallen.

Im Gerichtssaal bahnt sich die gleiche Stimmung an, die in der Luft gelegen haben muß, als erst das Rentnerehepaar den beiden jungen Männern die Parklücke klaute und sie später mit unflätigen Beleidigungen bezahlen mußte. Die RichterIn steht mit ihrem Interesse, den Sachverhalt juristisch zu klären, offensichtlich alleine da. Der wegen Beleidigung angeklagte Jens K. hatte sie schriftlich wissen lassen, er wünsche, „nicht mehr belästigt zu werden“, womit er allerdings scheiterte und doch zu seiner Verhandlung erscheinen mußte. Und das Ehepaar S. will einfach nur klargestellt wissen, daß man sich sowas nun wirklich nicht sagen lassen muß.

Aber was ist denn nun „sowas“? Die Frage ist schlicht, doch bei Christel S. löst sie eine Fassungslosigkeit aus, als habe die Richterin von ihr verlangt, sich vom Michel abzuseilen. Was zuviel ist, ist zuviel: „Diese Worte möchte ich hier nicht wiederholen.“So droht die Anklage, zu platzen – wäre Richterin Monika Weißenbach nicht couragiert genug, die Worte in den Mund zu nehmen, bei deren bloßer Erinnerung Christel S. Schauer über den Rücken fahren: „Du bist klein, dick und fett und kommst hinten nicht mehr hoch. Deine Frau fickt ein anderer. Und jetzt geh und wichs Dir einen“, liest Weißenbach der Zeugin vor. Die läuft knallrot an, und auf die Nachfrage, ob das denn so gesagt worden sei, stammelt sie fast tonlos: „Ja.“

Bleibt nur noch die Frage, wer das gesagt haben soll. Der Angeklagte Jens K. war es offenbar nicht, sondern sein Kollege, der mit ihm im Wagen saß und sich über das forsche Ehepaar ärgerte. Der wiederum hat seinen Strafbefehl über 500 Mark längst akzeptiert und ist gar nicht zugegen. Jens K. wird schlußendlich freigesprochen, und so fühlt er sich ein weiteres Mal bemüßigt, zu betonen, daß das ganze Verfahren eine Verschwendung von Steuergeldern sei und außerdem reine Zeitverschwendung – worauf Weißenbach erwidert: „Das sagen Sie jetzt zum ich weiß nicht wievielten Mal. Das ist langsam auch Zeitverschwendung“.

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