Keine Strafe für den Oberzwerg

■ Der Prozeß wegen der Vereidigung von 450 Gartenzwergen vor dem Bundeswehrgelöbnis im Mai 1996 wurde vom Amtsgericht eingestellt

Können Gartenzwerge gegen das Versammlungsrecht verstoßen? Mit dieser zentralen Frage des deutschen Rechts befaßte sich gestern das Amtsgericht in Moabit. Wichtiges Beweismaterial mußte der Angeklagte allerdings an der Pforte des ehrwürdigen Hauses zurücklassen: eine Kiste mit sechs Gartenzwergen, allesamt liebevoll und detailliert von Hand bemalt. Dabei wollte Christian Herz, der „Zwergenbeauftragte“ der Kampagne gegen Wehrpflicht, anhand der Tongeschöpfe erläutern, wie es zu dem strittigen Vorfall gekommen war. Herz sollte wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz 451 Mark Strafe zahlen und hatte Widerspruch eingelegt.

„Ich beantrage, die Subjekte oder Objekte dieses wichtigen Kasus in Augenschein zu nehmen“, forderte denn auch Herz' Verteidiger Christian Ströbele vom Hohen Gericht. Doch dieses hatte keinen Sinn für Humor: Der Richter verordnete eine viertelstündige Pause, forderte einen schriftlichen Antrag und lehnte diesen dann prompt ab.

Also zeigte Herz nur Fotos als Anschauungsmaterial und berichtete, wie die Kampagne gegen Wehrpflicht am 29. Mai 1996, zwei Tage vor dem ersten öffentlichen Gelöbnis der Bundeswehr am Schloß Charlottenburg, ebendort 450 tönerne Mitglieder der „Nationalen Gartenzwerg-Armee“ symbolisch vereidigt hatte. Mit dabei waren nicht nur alle Einheiten der „Zwergenwehr“ von der Marine bis zur Luftwaffe, sondern auch deren „Chefs“, wie kleine Schriftzüge auf den Fotos zeigen: Zwergzog (Präsi), Brühe (Kriegszwerg) sowie Kohl (Oberzwerg). Zum Gelöbnis gab es Texte, Marschmusik und Winkelemente aus zwei Jahrhunderten.

Nachdem Herz eine knappe Viertelstunde das Gelöbnis sowie die Unterdrückung von öffentlichen Protesten dagegen rhetorisch gewitzt gegeißelt hatte, setzte er zum Blick in die Zukunft an: Ob der Prozeß „als Vorwarnstufe für das nächste Gelöbnis am 10. Juni“ zu sehen sei? Prompt riß der Richter das Wort an sich, was Verteidiger Ströbele auf den Plan rief: „Wenn Sie meinen Mandanten nicht ausreden lassen, dann machen Sie einen Gerichtsbeschluß, daß dem Angeklagten bei seiner Einlassung das Wort verboten wird.“

„Ich lass' mich von Ihnen nicht vorführen“, grollte der Richter und verhängte eine zweite Pause – diesmal 45 Minuten lang. Danach war es schnell vorbei. Das Verfahren wurde eingestellt: Keine Strafe für den Oberzwerg. Nicht nur dieser war überrascht. „Warum haben Sie das nicht schon vor einem Jahr gemacht?“ fragte Ströbele. Die Antwort des Richters: „Ich wollte Sie hier einmal live erleben.“ Sabine am Orde