Kaffee-und-Kuchen-TV à la öffentlich-rechtlich

■ Thomas Ohrner talkt, Kai Böcking quizt — ab 15.03 Uhr wird das ZDF formatmäßig privater

Axel Beyer sieht sehr blaß und übernächtigt aus. Nur durch ein bißchen Gealbere mit Thomas Ohrner und Kai Böcking, den Protagonisten des „Neuen Nachmittags im ZDF“, hält sich der öffentlich-rechtliche Unterhaltungschef leidlich wach. Beyers Verfassung paßt zu dem gebremsten Enthusiasmus, mit dem er die Talkshow „Mensch, Ohrner!“ sowie Böckings Quizshow „Risiko“ vorstellt, die das ZDF ab heute viermal wöchentlich ab 15.03 Uhr im Doppelpack sendet. Die Versuche, sich beim Kaffee-und-Kuchen-TV von der Konkurrenz „formatmäßig zu unterscheiden“, habe das Publikum nicht angenommen, so Beyer gequält. Und „weil Fernsehen Dienstleistung ist – zumindest in der Unterhaltung –, haben wir uns entschlossen, uns diesem Sehverhalten anzuschließen“. Drum müssen jetzt Ohrner und Böcking ran.

Frank Elstner, der Produzent von „Mensch, Ohrner!“, wirkt fit, aber richtig gut geht es auch ihm nicht. Hat er doch drei Monate lang jeden Werktagnachmittag vor dem Fernseher gesessen – aus beruflichen Gründen natürlich; um zu wissen, wie die Konkurrenz talkt. Seine Erkenntnis nach dem Forschungsmarathon: „Ich habe das Gefühl, daß die Welt nur noch von Kranken bewohnt wird.“ Was für eine reizende Mischung aus Herrenmenschlichkeit und, hm, Medienkritik! „Mensch, Ohrner!“ jedenfalls soll altmainzelmännliche Betulichkeit transportieren. „Ich werde keine Fragen stellen, die ein investigativer Journalist stellen würde“, betont Ohrner, als ob das irgendwer erwartet hätte. Weder „Selbstdarsteller“ (Beyer) noch „Seelenstripping“ (Ohrner) will man dabeihaben. Und Sex? Mein Gott, why not, aber „nicht als Spekulationsobjekt“ (Beyer). Elstner, der alte Entertainment-Landser, drückt sich relativ deutlich aus: „Es muß gestattet sein, normal mit Normalen zu reden.“

Gegen „Risiko“, die nachfolgende Sendung, ist erst einmal nichts einzuwenden, weil sich da in maximal sieben Spielrunden maximal 28.000 Mark einsacken lassen, die ein Glücksspielunternehmen zur Verfügung stellt. Man muß nur in einem überschaubaren Wissensgebiet (David Bowie, Fidel Castro, Augsburger Puppenkiste) gut zu Fuß sein. Das Problem ist bloß, daß man sich nicht einfach bewerben kann. Vielmehr bestimmt die Produktionsfirma Endemol die Themen, und die Redakteure suchen in der gesamten Republik nach geeigneten „Freizeitexperten“ (ZDF). Weswegen auch schon mal ein zum Thema „St. Pauli“ geladener Kandidat nach dem Casting wieder nach Hause geschickt wurde, weil er nicht wußte, wie lang die Reeperbahn ist.

„Risiko“ ist strenggenommen eine modernisierte Version von „Alles oder nichts“: Wer eine Frage nicht beantworten kann, scheidet aus. Und der Unterschied zwischen Vorbild und Neuschöpfung? „Wir haben den Zacken verschärft“, erklärt Beyer. Vielleicht versucht sich der leitende Angestellte aus Mainz jetzt in Trappatonisch, aber vielleicht ist er auch nur hundemüde. René Martens