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■ Seit zehn Tagen im HungerstreikHamburgerin ist vor türkischem Gericht angeklagt Von Elke Spanner

Vom Hungerstreik der anderen politischen Gefangenen hat Eva Juhnke aus der Zeitung erfahren. Einen anderen Kontakt zur Welt außerhalb ihrer Zelle hat die Hamburgerin nicht. Seit vier Wochen ist sie im Gefängnis in Mus, im kurdischen Gebiet der Türkei, in totaler Isolation. Vor zwei Wochen hat sie sich dem Hungerstreik aus Protest gegen die dortigen Haftbedingungen angeschlossen. Von ihrem Zustand sei er „geschockt“, berichtete ihr Bruder Jan Juhnke, der gestern mit einer Delegation vom Besuch bei Eva Juhnke zurückgekehrt ist.

Die zehnköpfige Gruppe war zur Beobachtung der traditionellen kurdischen Newroz-Feiern gereist. Zudem wollten sie den Prozeß gegen Eva Juhnke beobachten. Die 33jährige lebt seit 1993 im kurdisch bewohnten Gebiet. Sie ist nach dem „Anti-Terrorgesetz“angeklagt, soll Mitglied der „kurdischen Arbeiterpartei PKK“sein. Anfang Oktober vergangenen Jahres wurde sie vom türkischen Militär festgenommen. Auf irakischem Staatsgebiet, wie Eva Juhnke sagt – und deshalb unter Verletzung völkerrechtlicher Bestimmungen. Das Militär hingegen behauptet, die Hamburgerin auf türkischem Boden aufgegriffen zu haben. Folglich erklärte sich das türkische Staatssicherheitsgericht für zuständig.

Der Vorwurf der Mitgliedschaft in der PKK wiegt schwer. Zehn Jahre Gefängnis hat der Staatsanwalt gefordert. Es gibt Gefangene, die wegen desselben Vorwurfes bis zu 24 Jahren inhaftiert sind. Und die Anzeichen seien offensichtlich, daß das Gericht die Hamburgerin verurteilen wolle, urteilte besorgt Heidi Lippmann-Kasten, die für die Organisation „prison watch international“beim Prozeß war. Juhnke werde bei ihrer Verteidigung massiv behindert. Bei den ersten Prozeßterminen habe sie nicht einmal einen Anwalt gehabt. Vergangene Woche sollte die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, erst nach hartnäckigen Verhandlungen durfte die Delegation den Gerichtssaal betreten.

Der Prozeß soll am 30. April fortgesetzt werden. Juhnkes Anwalt hat bereits gefordert, ihre Isolationshaft aufzuheben. Mit ihrem Engagement stehen er und die Delegation allerdings ziemlich alleine da. Die deutsche Botschaft, so die Kritik, kümmere sich kaum um die inhaftierte Hamburgerin. „Bei jedem Verkehrsunfall in der Türkei, in den Deutsche verwickelt sind, engagiert sich die Botschaft mehr“, zitierte Lippmann-Kasten gestern Eva Juhnkes Anwalt. Verbitterung schwingt in ihrer Stimme aber nicht mit. Schließlich seien die freundschaftlichen Kontakte zwischen türkischer und deutscher Regierung bekannt. Jüngster Beleg: Im Prozeß gegen Eva Juhnke seien Daten aus ihrer Biographie verlesen worden, „die das Gericht nur von deutschen Behörden haben kann“.

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