Analyse: Gott und das Volk
■ Der Papstbesuch hat Nigerias Diktator Abacha herausgefordert
Lange hat niemand dem nigerianischen Militärdiktator Sani Abacha so deutlich eine abweichende Meinung gesagt wie Papst Johannes Paul II. Mit seinem Eintreten für Demokratisierung, für die Achtung der Menschenrechte und die Freilassung politischer Gefangener hat das Oberhaupt der katholischen Kirche in Nigeria eine überdeutlich klare Position bezogen. Dem Land kann das nur dienlich sein.
Nigeria steckt in einer tiefen Krise. Nach offiziellem Zeitplan soll am 1. Oktober die Macht von der Militärjunta an eine gewählte zivile Regierung übergehen. Die nötigen Parlamentswahlen sollen am 25. April stattfinden, die Präsidentschaftswahl am 1. August. Aber der Rahmen der legalen Politik ist dermaßen eng gesteckt, daß kaum echte Alternativen zur Wahl stehen.
Die fünf erlaubten Parteien zerfleischen sich heftig im Postenstreit. Vier von ihnen treten überdies dafür ein, daß Abacha sich im August zu seinem eigenen Nachfolger wählen läßt. Das beharrliche Schweigen des Generals zu diesem Anliegen läßt die politische Spannung im Land von Woche zu Woche wachsen.
Da ist es schon bemerkenswert, wenn in dieser Situation der Papst einfach so von einem „neuen und besseren Nigeria“ spricht. Johannes Paul II. fordert von den Nigerianern „gemeinsame und ehrliche Anstrengungen, Harmonie und nationale Einheit herzustellen, Respekt für das menschliche Leben und die Menschenrechte zu garantieren, Gerechtigkeit und Entwicklung zu fördern, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, den Armen und Leidenden Hoffnung zu geben, Konflikte durch Dialog zu lösen und eine wahre und dauerhafte Solidarität zwischen allen Teilen der Gesellschaft aufzubauen“. Für solche Forderungen wandern Nigerianer schon mal ins Gefängnis.
In Nigeria ist Religion sehr wichtig. Abacha, unterstützt von den mächtigen muslimischen Emiren aus dem Norden des Landes, bezieht sich gerne auf Gott: Gott, so behauptet er, werde ihm sagen, ob er Präsident bleiben soll oder nicht; in seiner Antwort auf den Papst sprach er von der „Regierung, die ich von Gottes Gnaden führe“. Der Papst stellt durch sein Alternativprogramm zur Diktatur diese selbstverständliche Vereinnahmung der Religion in Frage. Er untergräbt direkt den Legitimationsanspruch des Diktators.
Nachdem Gott ihm entweicht, müßte Abacha sich eigentlich zur Wahl stellen, damit wenigstens sein Volk ihm folgt. Dann endlich würde sich der Nebel lichten, der die nigerianische Politik bis jetzt so unklar erscheinen läßt. Dominic Johnson
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