■ Vorschlag: Downtown, hip und jüdisch – Der Dokfilm „Sabbath in Paradise“
Vor einigen Jahren prägte der New Yorker Avantgarde-Musiker John Zorn das Wort von der Radical Jewish Culture. Auf seinem Tzadik-Plattenlabel wie auf Festivals in der New Yorker Knitting Factory etablierte er ein Forum für experimentelle Musiker, die vor allem ihre jüdische Herkunft verband. Oder doch mehr? Zorn wie seine Mitstreiter gehen davon aus, daß sich aus der geteilten Geschichte der Musiker im jüdisch geprägten Mikrokosmos der Lower East Side auch ein verbindendes künstlerisches Moment speist: eine „Jewishness“, die sich in bestimmten Haltungen und Ausdrucksformen jenseits schtetlseliger Klezmer-Nostalgie spiegelt.
Genau dieser spezifischen „Jewishness“ spürt Claudia Heuermanns Dokumentarfilm „Sabbath in Paradise“ nach, an dessen Drehbuch wiederum John Zorn beteiligt war. Ist es ein Klang? Läßt sich diese „Jewishness“ gar auf einen einzigen Ton reduzieren, quasi destillieren, wie der Pianist Anthony Coleman mutmaßt? Bei einem Blues-Akkord, begründet Coleman, müsse man schließlich auch nicht das ganze Stück hören, um das Typische daran wiederzuerkennen. Was nun diesen jüdischen Sound ausmacht, deutet der Film allerdings nur an. Statt desssen kommen so unterschiedliche Persönlichkeiten wie der Klarinettist Andy Statman, Pionier des Klezmer- Revivals, oder der Krachmach-Gitarrist Marc Ribot ausgiebig zu Wort – leider ohne Nennung der Namen oder Einführung der Personen, was den Film nur für Insider wirklich informativ macht. Eine mystische Story in Schwarzweiß, beruhend auf der jüdischen Legende von der seltsamen Reise des Reb Elimeylekh in ein Sabbat- Paralleluniversum, bildet den Rahmen der Dokumentation.
Mit der Obsession von Schmetterlingssammlern vergleicht Andy Statman spöttisch das große Interesse, das der osteuropäisch-traditionellen Klezmer-Kultur gerade in Deutschland entgegengebracht wird: Begeisterung für Vergangenes. Die Avantgardeszene, die in „Sabbath in Paradise“ porträtiert wird, wirkt dagegen sehr lebendig und heutig – der Film aber nähert sich ihr, ehrfürchtig und affirmativ, wie einer Reliquie. Daniel Bax
„Sabbath in Paradise“ von Claudia Heuermann, D 1997, 85 Min.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen