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Grundrecht wird zum Störfaktor

■ „Spannungsbericht“ setzt Streit zwischen Innenverwaltung und dem Datenschutz fort. Datenschutzbeauftragter stellt Jahresbericht 97 vor

Die Gangart im Konflikt zwischen den Sicherheitsbehörden und dem Datenschutzbeauftragten wird härter. Inzwischen beschäftigt der Streit die Abgeordneten im Preußischen Landtag. In einem „Spannungsbericht“ vom Ende des vergangenen Jahres an das Parlament wirft Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) dem Datenschutzbeauftragten Hansjürgen Garstka vor, unverhältnismäßig in die polizeiliche Arbeit einzugreifen und diese zu behindern.

„Wer weniger Datenverarbeitung bei der Polizei fordert“, so konstatiert Schönbohms Bericht, „nimmt eine Beschränkung der Ermittlungstätigkeit, zumindest aber der Ermittlungsmöglichkeit in Kauf.“ Obwohl „Datenschutz kein Gegenpol zu den Interessen der Allgemeinheit“ sei, bestünde ein Spannungsverhältnis. „Der Datenschutzbeauftragte“, so das Schönbohm-Papier, „hat die Stellung eines umfassenden Kontrollorgans über polizeiliche Tätigkeit erlangt, das unabhängig von der ohnehin gewährleisteten Kontrolle wirkt.“

Garstka verwahrte sich gestern anläßlich der Vorstellung des Datenschutzberichtes 1997 gegen die Vorwürfe. „Die Innenverwaltung hat es für nötig befunden, uns regelrecht zu beschimpfen“, so Garstka. Datenschutz werde von den Sicherheitsbehörden immer mehr als Störfaktor betrachtet. Dies zeige sich auch an der im vergangenen Jahr geprägten Parole „Datenschutz ist Täterschutz“.

In einer Stellungnahme zum Spannungsbericht des Innensenators beklagt Garstka, es werde der Eindruck erweckt, „der Datenschutz gehöre nicht zu den schutzwürdigen Belangen der Allgemeinheit“. Im Mittelpunkt der Argumentation stünden Erörterungen, die mit dem Datenschutz nichts zu tun hätten, „sondern auf eine grundsätzliche Neuorientierung des Polizeirechts abzielen“. Die Innenverwaltung, so Garstka, beabsichtige eine Ausweitung der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung. „In dieser Situation sind datenschutzrechtliche Hemmnisse keine unangemessene Behinderung polizeilicher Arbeit; sie sind vielmehr Garant dafür, daß auch vor dem Hintergrund konturenloser Befugnisnormen ein Mindestmaß an informationeller Selbstbestimmung gewährleistet bleibt.“

In diesem Zusammenhang warnte Garstka auch davor, das Sozialamt dürfe nicht zum „verlängerten Arm der Polizei“ werden. Die vom Senat beschlossene Anweisung, nach der Sozialämter an Polizei und Ausländerbehörde den nächsten Vorsprechtermin von AusländerInnen weiterzugeben haben, verstoße gegen das Sozialgesetzbuch. Das Sozialamt decke dabei schließlich keinen Mißbrauch auf, sondern erteile Amtshilfe zur möglichen Abschiebung.

Neben diesen Streitpunkten widmet sich der Jahresbericht den Themen Datenschutz bei Telediensten, dem undurchschaubaren Datenfluß bei automatischen Bankverfahren und der Datenjagd privater Adressenhändler. Insgesamt zog Garstka gestern eine zwiespältige Bilanz: „Das vergangene Jahr war ein Wechselbad aus Erfolgen und Mißerfolgen. Das Bewußtsein und der Stellenwert, der dem Datenschutz weltweit eingeräumt wird, wachsen, gleichzeitig gibt es die Tendenz, daß der Datenschutz mehr und mehr als Störfaktor betrachtet wird.“ Barbara Junge

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