: Festnahmen in der Colonia Dignidad
■ Chiles Polizei will auf dem Gelände der deutschen Sekte bleiben, bis der wegen Kindesmißbrauchs gesuchte Paul Schäfer gefunden ist
Berlin (taz) – Die chilenische Polizei hat nach einer neuerlichen Durchsuchung der deutschen Sekte Colonia Dignidad mit einer ständigen Polizeipräsenz auf dem Gelände begonnen. Zunächst 30 Tage lang sollen die Beamten in der Colonia bleiben und das Gelände immer wieder durchsuchen, um den flüchtigen Sektenchef Paul Schäfer zu finden, sagte Innenminister Carlos Figueroa. Schäfer wird die Vergewaltigung minderjähriger Jungen vorgeworfen.
Die Nummer zwei der Colonia, der Arzt Hartmut Hopp, protestierte am Dienstag gegen die Polizeiaktion, die er als illegal bezeichnete. Er kündigte rechtliche Schritte an. Am frühen Dienstagmorgen waren auf Anordnung des Ermittlungsrichters Hernán González rund sechzig Carabineros in die Siedlung eingedrungen. Die Bewohner wehrten sich zum Teil gewaltsam gegen die Polizisten. Fünf Personen – vier Deutsche und ein Chilene – wurden festgenommen, als sie sich in Autos aus der Kolonie entfernen wollten. Vereinzelt fielen Schüsse. Verletzt wurde jedoch nur ein Polizist, als Colonia-Bewohner mit einem Metallschloß auf ihn einschlugen.
Der Ermittlungsrichter rechtfertigte die permanente Polizeipräsenz auf dem Gelände, indem er sagte: „Wenn es ernsthafte Vorwürfe und eine von der Justiz gesuchte Person gibt, die sich an einem bestimmten Ort aufhält, dann ist es offensichtlich das mindeste, was man tun muß, diesen Ort zu beobachten.“ Ricardo Alvear, einer der Sprecher der Sekte, sagte, das Vorgehen der Polizei verletze die Menschenrechte. Die älteren Colonia-Bewohner fühlten sich, so Alvear, mit Schrecken an die Zeit des Zweiten Weltkrieges erinnert. Anfang der 60er Jahre war die Sekte aus Deutschland nach Chile übergesiedelt, weil Schäfer auch in Deutschland wegen Kindesmißbrauchs polizeilich gesucht wurde.
In Chile liegt gegen den heute 77jährigen Sektenchef seit Ende 1996 ein Haftbefehl vor. Schäfer hält sich vermutlich noch immer auf dem 160 Quadratkilometer großen Gelände der Sekte auf, das seither zwölfmal erfolglos von der Polizei durchsucht wurde. pkt
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen