■ Querspalte: De Mortuis
An der britischen Reading University bei London, so vermeldete vorgestern die Times, wird ein neuer Studiengang eingeführt. Mit „Tod und Gesellschaft“ sollen sich die Absolventen dieses Master Degree auseinandersetzen. Das Berufsbild, so heißt es, sei noch unklar, doch sei eine akademische Karriere, ein Doktorat, denkbar. Und dann? Was tut ein Dr. morb.? Ins Haus steht eine reaktionäre Revolution des Bestattungswesens: Wer es sich leisten kann, läßt sich künftig seine Trauerfeierlichkeiten von einem Professor der Morbidologie entwerfen – wer das nicht kann, landet beim Dipl. morb. aus dem zweiten Bildungsweg, und wer selbst dafür kein Geld hat, muß sich von angelernten Hilfsbestattern unter die Erde bringen lassen. Letzteres freilich ganz ohne gesellschaftlich fundierte Reflexion. Es sind nicht alle Menschen gleich – lebendig und als Leich.
Der linguistische Zweig der Universität hätte genug zu forschen. Warum etwa sagt man: „Mein Vater ist gestorben“, verwaltet dann jedoch den Nachlaß des Verstorbenen? Signalisiert doch die Vorsilbe „ver“ immer Fehler: verzogen, vergeigt, versaut. Dabei soll man doch nicht schlecht von Toten reden – Fragen über Fragen.
Die Idee zu diesem Studiengang sei nach dem Tod von Prinzessin Diana entstanden, läßt die Universität verlauten. Alles klar, darum geht's: Die Reading University will Geld aus Dianas Stiftungsfonds abziehen, quasi als logische Ergänzung zur Anti-Minen-Kampagne. Der Tod – laut Dr. Walter, dem Autor des Buches „Das Revival des Todes“, seit der viktorianischen Ära „unter den Teppich gekehrt“ – soll wieder selbstverständlicher werden. Hoch die Teppiche und Tod gelehrt, die Gesellschaft wird es danken und würdiger sterben.
Immerhin, wenn künftig nicht mehr die halbe Welt kopfsteht, weil eine Prinzessin vor den Baum fährt, dann hätten die Todesforscher doch einiges erreicht. Eine Gesellschaft unter Sterbeberatung. „Death Consult“ – von führenden Morbidologen empfohlen. Bernd Pickert
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