: Castor und Demokratie
■ betr.: „Castor durchgeprügelt“ u.a., taz vom 21./22.3.98
Nach Gorleben wird nun in Ahaus gezeigt, was in Deutschland unter Demokratie verstanden wird. Volksherrschaft bedeutet inzwischen, daß viele Politiker und einige tausend Polizisten und Grenzschützer das Volk repräsentieren und die Herrschaft über dieses Land ausüben. Diese Herrschaftsform nannte man bei uns auch schon einmal etwas anders, und es ist noch gar nicht lange her!
[...] Michael Kobbeloer, Melzingen
Danke schön, Herr Kniola! Ihre Deeskalation – einzigartig! Und wie Sie es den uniformierten Schlägertrupps aus Magdeburg und Berlin nachher so richtig gegeben haben – ohnegleichen! „Nacharbeiten“ wollen Sie, weil das „nicht in Ordnung“ war. Bra-vo! Und wie Sie – zum Vorteil aller Beteiligten selbstverständlich – den Transport vorverlegt haben, grundgütig! In der Schönen Neuen Demokratie ist halt der Bürger einfach nicht mehr so recht ein mit demokratischen Grundrechten versehenes selbständiges Subjekt, sondern eher ein stets unbequemes und verdächtiges kleines Objekt, das reinzulegen schon wegen eben dieser schlechten Eigenschaften völlig legitim ist. Das nächste Mal wird dann nach Gorleben angekündigt und nach Ahaus oder Lubmin transportiert. Das wäre ja gelacht, wenn dieser Staat nicht mal mehr seine eigenen Bürger hinters Licht führen könnte. An Politikerworte – so wahr, „wie eine Flasche leer“ – hat man sich hierzulande ja ohnehin schon lange gewöhnt. [...] Frank Heublein, Göttingen
betr.: „Der Weg ist das Ziel“, Kommentar von Hermann-Josef Tenhagen
Wenn von den hohen Kosten des Castor-Transports die Rede ist, sollte zwischen echten Mehrkosten und kalkulatorischen Posten unterschieden werden. Bundesgrenzschutz und Polizei müssen ja in jedem Fall bezahlt werden, egal ob sie den Castor bewachen oder in der Kaserne sitzen und Skat spielen. Diese Kosten entstehen nicht zusätzlich, indem sie rein rechnerisch auf den Castor-Einsatz umgelegt werden.
Diese Kosten würden nur dann eine Rolle spielen, wenn die AKW-Betreiber sie zahlen müßten. Dazu wäre eine Änderung des Atomgesetzes oder sonst eine gesetzliche Grundlage erforderlich. Die tatsächlichen Mehrkosten für den Castor-Transport dürften sich in Grenzen halten, so daß von dieser Seite kein Unterlassungsdruck zu erwarten ist. Wolfgang Diem, Nünrberg
betr.: „Gesucht: eine zivile Konfliktlösung“, taz vom 20.3. 98
Die zivile Konfliktlösung wird von 99 Prozent aller AtomkraftgegnerInnen seit Jahrzehnten gesucht. Einzig die verantwortungslosen Atomkraftbefürworter verhindern sie. Also was soll der Schmarren mit den Steinewerfern.
[...] Spätestens seit Wyhl sollte eigentlich klar sein, daß Atomkraft weder ökologisch noch gesamtgesellschaftlich-sozial zu verantworten ist. Eine deutliche Mehrheit der Gesellschaft lehnt auch heute noch Atomkraft ab, unter anderem auch wegen der unlösbaren „Ent“sorgungsfrage. Hier Konfliktlösung zwischen Polizei und AtomkraftgegnerInnen zu fordern, ist ein vollkommen falscher Ansatz. Denn beide, Polizei und AtomkraftgegnerInnen, sind Opfer einer brutalen, antidemokratischen Durchsetzung der Atomenergie von seiten der herrschenden Politik und interessierten – mafiotisch strukturierten – Wirtschaftskreisen. Die zentrale Frage müßte lauten: Warum sollen eigentlich PolizistInnen den atomaren Müll schützen und nicht die Leute – von Siemens, RWE, PreussenElektra, Bayernwerk usw. –, die ihn zu verantworten haben? Deshalb, Castoren in die atombombensicheren Keller der Atommanager! Wolfgang Wedel, Nürnberg
Daß Ihr auf den Grünen herumhackt, wo Ihr nur könnt, und daß Ihr Werbung für die Bundeswehr macht, kann ich alles noch verkraften. Aber das geht zu weit! Nachdem wir uns zwei Tage in Ahaus mit Polizisten herumärgern mußten, mitansehen mußten, wie SchülerInnen getreten und mit Gummiknüppeln verprügelt wurden, lese ich am Montag in „meiner“ taz Werbung der Atomindustrie.
Die dort enthaltenen dämlichen Sprüche sind ein Schlag ins Gesicht aller Demonstranten. Tatsächlich haben vor allem die vielen Jugendlichen – unter anderem meine Söhne (14 und 16) – neue Erfahrungen sammeln können, nämlich die Erfahrung, daß man von Polizisten – bisher „Dein Freund und Helfer“ – in „Darth-Weda-Manier“ massiv bedroht wurde und am Recht der freien Meinungsäußerung gehindert wurde. Sie fühlten sich an den Krieg der Sterne erinnert. Ich mußte angesichts der ständig fliegenden Hubschrauber mehr an den Vietnamkrieg denken. Wirklich tolle Erfahrungen, die junge Leute am Freitag in Ahaus machen konnten. Diese Jugend hat sicher den Glauben an die Demokratie verloren! Helma Benke, Vreden
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