MobilCom fühlt sich zu Höherem berufen

■ Telefongesellschaft mischt mit Billigstangebot den Markt auf und will jetzt Konkurrent Cellway übernehmen. Rekordkurs der Aktie versetzt Börse und Analysten in Aufregung

Berlin (taz/dpa) – Selten dürften Aktionäre so freudestrahlend auf eine Hauptversammlung gegangen sein wie gestern bei der MobilCom AG. Die Schleswiger Telefongesellschaft mit ihren 335 Mitarbeitern ist der Börsenliebling des letzten Monats: Der Aktienkurs ist seit Ende Februar von 460 auf 1.065 Mark gestiegen. Und für jede Aktie, die letzten März mit 62,50 Mark an den Markt gegangen war, erhalten die Aktionäre 2,50 Mark.

1997 hat das Unternehmen im Mobilfunkgeschäft tiefschwarze Zahlen geschrieben: Das Konzernergebnis wuchs um 136,7 Prozent auf 28,7 Millionen Mark, der Nettoumsatz um 21,6 Prozent auf 322,7 Millionen Mark. Fast 70.000 Handybegeisterte konnte MobilCom im letzten Jahr als neue KundInnen für sich gewinnen.

Das scheint aber nur ein Vorgeplänkel gewesen zu sein. Seit der Freigabe des Telefonmarktes Anfang Januar lehren die Schleswiger nicht nur die Telekom das Fürchten. 19 Pfennig pro Minute für ein innerdeutsches Ferngespräch ist Billigrekord. Der Tarif ist so unwiderstehlich, daß MobilCom der Mannesmann-Tochter Arcor Platz zwei der Branche streitig macht – und das ohne den Einsatz von Werbemillionen.

Genial nennen Branchenanalysten das Konzept von MobilCom, der Telekom Fernsprechkapazitäten für 10 Pfennig die Minute abzukaufen und sie mit nur 9 Pfennig Aufpreis an die Kundschaft weiterzugeben. So machte MobilCom bisher ganz ohne eigenes Festnetz wie die Telekom oder Arcor, die das Bahnnetz nutzt, ein Bombengeschäft. Prompt fühlen sich die Schleswiger zu Höherem berufen. Vor zwei Wochen kündigten sie an, den Mobilfunkkonkurrent Cellway zu übernehmen, dessen Umsatz schon 1996 mit 670 Millionen Mark doppelt so hoch war wie der von MobilCom. Mit den 330.000 Cellway-KundInnen würde sich der Anteil von MobilCom am Mobilfunkmarkt von 3 auf 8 Prozent erhöhen. Die angekündigte Übernahme hat die Börse in höchste Erregung versetzt. Am 17. März erreichte die MobilCom-Aktie den Spitzenwert von 1.580 Mark. Als MobilCom-Chef Gerhard Schmid einen Tag später erklärte, die Übernahme durch Wandelanleihen zu finanzieren, setzte es eine Ohrfeige: Der Kurs sackte um 330 Mark ab. Der Hype um die MobilCom-Aktien hat Beobachter hellhörig gemacht. Als jüngst Egbert Prior, der TV-Börsenguru auf 3sat, einen Kurs von 3.000 Mark an die Wand malte, legte die Aktie vorübergehend um 600 Mark zu. Der Spiegel witterte gleich eine Verbindung zu MobilComs regelmäßigen Inseraten im Anlegerblatt des Fernsehstars (Prior-Börse). Insiderinformationen werden auch vermutet, weil der Aktienkurs schon kurz vor der Ankündigung der Cellway-Übernahme in die Höhe schnellte. nbo