„Immer für Überraschungen gut“

Gesichter der Großstadt: Claus Bubolz gehört zum Schöneweider Kiez. Im Keller seiner Kneipe veranstaltet er seit fast zehn Jahren Diskussionen und Ausstellungen  ■ Von Christian Domnitz

„Ich bin ein Verrückter“, sagt Claus Bubolz von sich selbst. „Die Leute denken sich: Bevor wir den zum Feind haben, machen wir ihn uns lieber zum Freund.“ Das ist das Credo des aufdringlichen Kneipiers aus Schöneweide. Im Keller seines „Spezial-Cafés“ in der Brückenstraße 7 organisiert er Diskussionsrunden mit Politikern, Jugendtreffen und Ausstellungen. Dafür gründete er 1992 den Verein „Brücke 7“. „Bier ausschenken kann jeder“, sagt er. „Aber wir machen Kultur.“

Wenn der kleine bärtige Mann redet, ist an ihm alles in Bewegung. Die Augenbrauen zucken, er rudert mit den Armen, verzieht Nase und Stirn. „Der Verein braucht Energie, er braucht einen Motor. Das bin ich. Ich habe die Fähigkeit, Leute zu motivieren.“ Prominente Namen wie Stefan Heym, Hanna- Renata Laurien und Walter Jens zieren den Briefkopf seines Kulturvereins. Um ihn herum finden sich genug Engagierte. „Alle sind so fasziniert von ihm, daß sie mitmachen“, sagt Mario Rödel, der ebenfalls bei Bubolz' Veranstaltungen ab und zu mithilft.

Ausdauer und Chuzpe machen Bubolz zu einer Erscheinung, der man sich nur schwer entziehen kann. Er ist stolz darauf, politische Gegner wie Gregor Gysi und Klaus-Rüdiger Landowsky zur Diskussion an einen Tisch gebracht zu haben. „Wenn etwas fünfmal schiefgeht, klappt es das sechste Mal.“ Bei vielen Berliner Politikern und bei der Presse ist das SPD-Mitglied wegen seines Organisationsdranges bekannt. Seine heiser-krächzende Stimme prägt sich schnell und tief ein. „Die erkennen mich noch, wenn ich nach zwei Jahren anrufe!“

Auch der PDS-Bundesvorsitzende Lothar Bisky war diesen Monat in Bubolz' Keller. Er ist PDS-Direktkandidat im Wahlkreis Treptow/Köpenick. „Ich glaube, Bubolz weiß, was er will. Und er ist immer für eine Überraschung gut.“ Bisky wohnt unweit des „Spezial-Cafés“: „Wenn ich zur Bank gehe, muß ich da vorbei. Ich schaue ab und zu mal hinein.“

Claus Bubolz wuchs im Berlin der Nachkriegszeit auf. Als er zehn Jahre alt war, zogen seine Eltern von Lichtenberg nach Schöneweide. Seitdem lebt er dort, inzwischen fast vierzig Jahre lang. Nach Ausbildungen als Kellner, Bäcker und „Warenbeweger“ arbeitete Bubolz in einem Mitropa-Speisewagen. Den Wunsch einer eigenen Kneipe erfüllte er sich 1988. „Von da an hatte ich weniger.“

„Das ist ein skurriler Mensch“, urteilt Michael Haas, ein Charlottenburger Galerist. Vor zwei Jahren vermittelte er eine Ausstellung an Bubolz' Galerie. „Seitdem lädt er mich ständig ein. Ich hätte keine Lust, wie er am Existenzminimum zu leben. Seine Kneipe ist ziemlich komisch, aber die Linken finden sie wahrscheinlich affengeil – halb DDR, halb Subkultur.“

Bubolz mag das Leben, die Menschen und das Bier. In seiner Kneipe treffen sich Opelfahrer, Hausfrauen, Versicherungsvertreter und Arbeitslose. Sie tragen billige Stoffjacken und Kunstlederschuhe. Bei Diskussionen mit den Gästen aus der Politik riskieren sie kritische Blicke, sie fragen, lachen und lästern. Viel Geld können sie für ihr Bier nicht zahlen, und Bubolz will es auch gar nicht haben: „Ich will kein Geld, sondern einen guten Ruf. Für meinen Umsatz lacht mich jeder Kioskbesitzer aus.“

Schon einige Male stand der Gerichtsvollzieher wegen Steuerschulden vor der Tür des „Spezial- Cafés“. Die Elektrizitätswerke drehten Bubolz im Januar letzten Jahres den Strom ab, weil er eine Abrechnung von 18.000 Mark nicht pünktlich zahlen konnte. Für diesen Tag hatte er zu einem Gespräch mit dem Thema „Gehen im Osten die Lichter aus?“ geladen. Heinrich Lummer (CDU), Siegfried Scheffler (SPD) und Dagmar Enkelmann (PDS) diskutierten im Schein von sechzig Kerzen. Eine neue Stromsperre drohte Bubolz vor einem Monat. Die noch fehlenden 6.500 Mark will er nun in Raten abstottern.

Probleme wie diese halten den Mann mit Stiernacken und Bierbauch nicht davon ab, weiter Ausstellungen und Diskussionsrunden zu planen. Ein Beamter des Landeskriminalamts soll bald wieder mit Jugendlichen „über sexuelle Gewalt und übers Autoknacken“ reden, erzählt Bubolz. Eine „erotische Ausstellung“ läuft gerade, zu deren Eröffnung Beate Uhse eingeladen war. Sie wollte nicht kommen.

Bubolz gibt nicht auf, Prominente zu angeln: „Den Kohl hatte ich jetzt eingeladen.“ Dieser lehnte freundlich ab. Bubolz: „Aber da bleibe ich dran.“