: Mancher Arzt gibt sich als Dermatologe aus
■ Die Wiederherstellung des Jungfernhäutchens ist auch in Italien alltägliche Praxis
Die Namen der Praxen werden gehandelt wie weiland die von Abtreibungsärzten. Nur verschlüsselt werden sie von Freundin zu Freundin, noch mehr aber von Brauteltern zu Brauteltern weitergegeben: Wo man denn eine anständige „Preparazione matrimoniale“ bekomme, lautet die vertrauliche Frage.
An sich stammt der Begriff aus dem kirchlichen Leben – in der „Vorbereitung auf die Ehe“ werden die Rechte und Pflichten der Brautleute und Hinweise für sittsames Leben erteilt. Im übertragenen Sinne jedoch steht es, zumindest in vielen Teilen des Südens, auch für eine heimliche physische Vorkehrung – die Wiederherstellung des Jungfernhäutchens. Denn aller auch im Mezzogiorno eingekehrten modernen Zeiten zum Trotz halten viele Männer noch sehr auf eine „unbefleckte“ Braut. Und so manche Eltern, die bisher von sexueller Aufklärung rein gar nichts gehalten haben, suchen in den Monaten vor der Hochzeit herauszubringen, ob denn in Sachen Hymen auch alles in Ordnung sei. Hintergrund ist das in manchen Gerichtsurteilen noch immer gepflegte Recht, bei Feststellung wahrheitswidrig verschwiegener Defloration die Braut zu deren Eltern zurückzuschicken. Was mitunter kräftige Einbußen an Zukunftsperspektiven für die Familie der jungen Frau bedeutet. Besser vorher einen Tausender ausgeben, damit denn auch hinreichend Blut fließen möge.
Die einschlägigen Praxen kundiger Ärzte – meistens als Schönheitschirurgen, Dermatologen oder Gynäkologen gemeldet – florieren. Daß sie trotzdem lieber im Untergrund arbeiten, macht gleichwohl Sinn: Sollte der Gemahl herausbringen, daß vor der Hochzeitsnacht ein Chirurg am Werk war, droht Ungemach. Wie im Falle jenes Mafioso, der nach einer solchen Entdeckung nicht nur die Braut verstieß, sondern auch den mutmaßlichen Erst-Deflorierer hinmetzelte – und danach auch noch den Schönheitschirurgen. Werner Raith, Rom
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen