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Der homosexuelle Mann... Von Elmar Kraushaar

... ist seinem heterosexuellen Gegenspieler oft sehr viel ähnlicher, als man sich das wünscht. Wenn es ums Untenrum geht, beispielsweise. Da gibt es das schöne „Mädchen“ von Seite 1. Auf der Bild- Zeitung oder jeder anderen vom Boulevard. Eine Frau, die ihren Busen zeigt und die Schenkel und sonst gar nichts.

Damit die Lust des Betrachters beim Anblick von „Sabine“, „Marlene“ oder „Steffi“ nicht alleine bleibt, stellt der Redakteur einen Text zu dem Foto, ein bißchen Wichs-Prosa, um die Phantasie anzukurbeln. Da hat „Michelle (24) spontan Last Minute gebucht, in die Karibik. Dort ist sie ganz allein, nur ein Fotograf kam zufällig des Wegs. ,Woher der perfekte Körper‘, fragte er. ,Aerobic‘, antwortete Michelle. ,Täglich hartes Training.‘“ Ganz anders „Deborah (24, zwei Haflinger)“. Sie ist „Pferdenärrin und verbringt jede freie Minute mit ihren vierbeinigen Freunden. Doch heute ist Bürotag, bleibt nur der Traum von wilden Ritten durchs Gelände. Ausgelassen galoppiert sie zwischen den Schreibtischen, zieht instinktiv die Zügel an. Brrr – der Chef kann sie kaum noch beruhigen...“.

Wie in MÄNNERaktuell – Deutschlands schwule Illustrierte Nr. 1. Da gibt es zum Beispiel „Mike“. Der liebt „Pizza und Meeresfrüchte“, und seine Hobbys sind „Bodybuilding und Kino“. Natürlich mag er es, sich vor der Kamera auszuziehen, aber: „Schuhe müssen sein, da ein nackter Mann mit Stiefeln einfach stark aussieht. Mike besteht auf diesem Accessoire, das seine Ausstrahlung kerlich und knackgeil macht. Mike weiß, was Männerherzen wünschen.“ Wie „Laurent – Der Verführer“. Der wiederum mag „Austern und Hamburger“, spielt gerne Schach und hört Musik von Dalida oder Enya. Laurent ist, das weiß der Redakteur, „alles andere als blöd“. Seine „blauen Augen hypnotisieren, sein Geheimnis aber enthüllt er erst zu Hause, wenn er alleine mit dem Objekt seiner Leidenschaft ist.“

Wie bei den Pin-up-Mädels gibt es auch bei den -Jungs eine Magie der Zahlen. Sind die Frauen zumeist „(23)“ oder „(24)“, muß es bei den Männern ein bißchen mehr sein, „(27)“ oder „(28)“. So als garantierten just diese jungen Menschen unter 30 das richtige Maß an Erfahrung und Jugend.

Wie das richtige Alter kommen aber auch noch ganz andere Zahlen zu Wort: Bei den Frauen sind es die sog. „Idealmaße“, irgendeine Gleichung zwischen Oberweite und Taille. Bei den Männern hingegen muß lediglich der Schwanz stimmen, die richtige Länge haben und den richtigen Umfang. Ideale auch hier: 26 x 6 cm. Damit all jene, die nicht ganz soviel in der Hose haben, eine Ahnung bekommen können, wie sich das anfühlt, gibt's ein paar Anzeigen dazu mit Bestellschein. Reichhaltig ist das Angebot an naturidentischen Schwänzen, nachgearbeitet den prominenten Vorlagen aus den schmutzigen, kleinen Liebesfilmen. Mit Jeff Stryker fing es an, die neuen Pornohengste heißen Tom Chase, Brad Stone oder Ken Ryker. Deren Übergrößen – dem Minimum von 26 x 6 cm sind nach oben hin keine Grenzen gesetzt – gibt es als Gummimodell, neutral verpackt im „roten Samtsack“. Und alle Wünsche werden wahr, zwischen den Schreibtischen und ganz allein am Strand, ohne Schuhe und bei einer Pizza auf zwei Haflingern.

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