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Wer Zwangsgewalt hat, darf keine Politik machen

■ Verfassungsgericht: Bauprüferin darf in Harburg nicht GAL-Bezirksabgeordnete sein

Für Gunda Wüpper ist kein Platz in der Bezirksversammlung Harburg. Die 32jährige Hamburgerin ist zwar im vergangenen September als Abgeordnete der GAL ins Harburger Bezirksparlament gewählt worden, darf aber ihr Mandat nicht antreten. Das hat gestern das Hamburgische Verfassungsgericht entschieden (Az.: HVerfG 2/97).

Der Grund: Gunda Wüpper ist im Berufsleben Bauprüferin im Ortsamt Billstedt. Im Zweifel kann sie Baustellen stillegen. Solche Aufgaben wertete der Präsident des Verfassungsgerichts, Wilhelm Rapp, als „Hoheitsbefugnisse mit staatlicher Zwangs- und Befehlsgewalt“und somit als unvereinbar mit der Ausübung eines politischen Mandats.

Die Richter folgten damit der Argumentation der Freien und Hansestadt. Die hatte Wüpper den Einzug ins Bezirksparlament im Herbst 1997 untersagt, woraufhin die Bauprüferin vor Gericht zog: „Interessenskonflikte“gibt es ihrer Ansicht nach nicht. Sie arbeite in Billstedt, was zum Bezirk Mitte gehört, politisch aber sei sie nur im Bezirk Harburg tätig. Die Fälle, in denen sie „Zwangs- und Befehlsgewalt“ausübe, seien selten.

Das Gericht sah das anders: Die „Baupolizistin“hätte ihr Mandat nur antreten dürfen, wenn sie „ohne Bezüge beurlaubt“worden sei. Davon kann man nicht leben, entgegnet Wüpper: Anders als Bürgerschaftsabgeordnete erhalten Bezirkspolitiker statt Diäten magere 576 Mark Aufwandsentschädigung monatlich. Ihre Versetzung in einen Verwaltungsbereich mit „nicht-hoheitlicher Befugnis“– wie es für den GAL-Bürgerschaftsabgeordneten und Polizisten Manfred Mahr möglich war – sei an der Stadt gescheitert. Da habe sich kein Stellentauschpartner gefunden, bedauert die.

Daß Wüpper unter diesen Bedingungen „faktisch nicht wählbar“gewesen sei, mochte Richter Rapp jedoch nicht erkennen: Sie habe „zwischen Amt und Mandat wählen“können, wie es das Grundgesetz verlangt. Immerhin habe ihr der Weg in die freie Wirtschafts-Arbeitswelt offen gestanden.

„Das Thema ist durch“, schließt die enttäuschte GALierin den Gang zum Bundesverfassungsgericht aus. Ihren Platz in der Bezirksversammlung wird die Lehrerin Dagmar Garske einnehmen. hh

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