: Ein Studium, zwei Titel
■ Auf der Suche nach Vergleichbarkeit auf dem europäischen Bildungsmarkt erproben die Hochschulen immer engere Kooperationen. Zum Beispiel die integrierten Auslandsstudiengänge
Wer kennt schon all die akademischen Titel, die auf Briefköpfen prangen. Manchmal stehen zwei Abschlüsse darauf, zwischen ihnen mal ein Satzzeichen, mal keins. Eine besondere Bedeutung hat es, wenn ein deutscher und ein ausländischer Abschluß durch einen Schrägstrich getrennt sind, etwa so: „Diplom-Übersetzer/Bachelor of Arts (Honour)“. Das heißt: Sie wurden beide im Zeitraum eines normalen Studiums erworben, sogar eines relativ kurzen. Nach acht Semestern hat man zum Beispiel ein Diplom und einen Bachelor in der Tasche. Grund: Die Unis kooperieren, der Studierende war auf beiden.
Eine einheitliche Bezeichnung gibt es für solche Studiengänge noch nicht. Mal ist von „doppelten Abschlüssen“ die Rede, mal von „Europäischen Studiengängen“, mal von „integrierten Auslandsstudiengängen“. Von bloßen Auslandsstudien, bei denen einzelne Studienleistungen im Ausland anzurechnen sind, ohne daß es ein festes Programm dafür gäbe, grenzt man sich bei den integrierten Studiengängen ab. Das „Deutsch- Französische Hochschulkolleg“ (DFHK) etwa wirbt für die von ihm geförderten integrierten Studiengänge damit, daß sie der „Vermeidung eines oberflächlichen ,à la carte‘-Wissenschaftstourismus“ dienten. Mehr als 60 Studiengänge werden vom DFHK, mit Sitz in Mainz und Straßburg, gefördert, mehr als 800 deutsche und französische StudentInnen nehmen daran teil. Nur deutsch-englische Gemeinschaftsstudiengänge gibt es noch mehr. Die Tendenz: steigend.
Ein festes Curriculum, von den Hochschulen oft in langer Kleinarbeit erstellt, regelt, welche Leistungen wechselseitig anerkannt werden. „Es soll ja nicht nur abstrakt eine Anerkennung geben“, sagt Rüdiger Jütte, in der Internationalen Abteilung der Hochschulrektorenkonferenz für Auslandsstudien zuständig. Dem deutschen Bildungssystem, das für eine akademische Leistung nur einen Grad vorsieht, entspreche das nicht unbedingt. „Wenn man ganz strikt und böse sein will, fragt man, wo ist die Leistung für den zweiten Grad.“
Zunächst war diese Idee in den Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften aufgekommen. In diesen Fächern galt die internationale Anerkennung von Abschlüssen schon früh als wichtig. In den siebziger, achtziger Jahren verbreitete sich das Verfahren auf weitere Fächer und Hochschulen. Fachhochschulen bilden bis heute den Schwerpunkt.
Manchmal wurde einfach eine bestehende Partnerschaft zwischen zwei Fachbereichen auf weitere Fächer ausgedehnt. So ist etwa bei der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz die Kooperation mit der Universität im burgundischen Dijon auf immer mehr Fächer ausgebaut worden. Philosophie, Geschichte und Sprachen können heute im deutsch-französischen Wechsel studiert werden. Oder andersherum: Das Fach bleibt dasselbe, aber das Land ist ein anderes.
An der Fachhochschule für Wirtschaft und Technik in Reutlingen kann man bereits seit 1979 deutsch-französisch Betriebswirtschaft studieren, in Kooperation mit der „Ecole Supérieure de Commerce“ in Reims. Inzwischen gibt es aber auch deutsch-englische, deutsch-spanische und deutsch-amerikanische integrierte Studiengänge.
Im Normalfall wird die eine Hälfte des Studiums in Deutschland, die andere im Ausland verbracht. Bei den integrierten Auslandsstudiengängen ist kaum eine Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die TeilnehmerInnen seien besonders engagiert, meint Hermann Harder, Geschäftsführer des Deutsch-Französischen Hochschulkollegs. Ähnliches berichtet auch Christiane Pfützner, die selbst an so einem Studiengang teilgenommen hat und nun an der Uni Mainz als wissenschaftliche Hilfskraft im Dijon- Büro arbeitet, das die integrierten Studiengänge betreut. In Frankreich müsse man mehr tun, weil das Programm sehr verschult sei.
Wem die Belastung zu groß ist oder wer die zusätzlichen ausländischen Leistungen nicht schafft, kann bei vielen integrierten Programmen wieder auf ein normales Studium umsteigen. Und umgekehrt ist es auch möglich. Wer ganz normal an der Uni studiert, kann sich noch am Ende des zweiten Semesters für den Weg in die Fremde entscheiden. Matthias Fink
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