: „Mit Hakle Feucht den Selbstwert beweisen“
■ Olivier Semidei ist strategischer Planer bei der Werbeagentur Scholz & Friends in Hamburg
taz: Billigmarken bieten laut Warentest inzwischen gute Qualität. Warum greifen Verbraucher im Supermarkt trotzdem zu teureren Markenartikeln?
Olivier Semidei: Da gibt es zum einen die rein faktischen Unterschiede, etwa beim Geschmack, bei der Zusammensetzung. Darüber hinaus bietet die Marke einen echten Mehrwert – das Gefühl von Sicherheit, von Risikolosigkeit sowie einen psychologischen Mehrwert. Denn eine Marke steht auch für Haltungen und Wertvorstellungen. So kann ich mir selbst bestätigen, wer und wie ich bin und dies auch nach außen zeigen. Der Mehrwert der Marke ist letztlich ihre Daseinsberechtigung.
Hat dieses Markenbewußtsein zugenommen?
Mit Sicherheit. Markenbewußtsein geht durch alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen hindurch. Das hat auch mit der Industrie zu tun und damit, daß immer mehr Branchen den Wert der Marke entdeckt haben. Denn in den vergangenen Jahren ist es schwieriger geworden, dem Verbraucher funktionale Nutzenangebote zu machen, die sich vom Angebot der Konkurrenz unterscheiden. Was immer an Produktvorteilen ein Hersteller für sich in Anspruch nehmen kann, ist spätestens nach zwei Monaten kopiert.
Es gibt inzwischen auch beim Mineralwasser Luxusmarken.
Innerhalb von Marken kann man unterschiedliche Klassen ausmachen. Da gibt es hochpreisige Premium-Marken, Marken, die im Mittelfeld spielen und dann die preisgünstigeren Marken. Selbst bei etwas scheinbar so trivialem wie Klopapier kann die Psychologie der Markenwahl durchgespielt werden: man kann mit Danke sein Öko-Bewußtsein unterstreichen, mit der günstigen Handelsmarke seine Smartness demonstrieren oder mit der Premium-Marke Hakle Feucht sich selbst beweisen, was man sich Wert ist.
Die sogenannten No-name- Produkte wie AP oder Salto wirken mit ihrer bescheidenen optischen Aufmachung aber so, als seien sie eigentlich keine richtigen Marken.
Die Frage ist, was heißt no name? Nehmen wir das Beispel Aldi. Aldi selbst, als Einkaufsstätte für sogenannte No-name-Produkte, ist längst zu einer Marke geworden, die eine vehemente Markenkraft hat. Aldi ist zum Begriff der Alltagssprache geworden, ob im Witz oder im soziologischen Diskurs, wenn von der Aldisierung der Gesellschaft gesprochen wird.
Sind die Premium-Marken die Antwort auf Billigwaren, weil die Konsumenten das Gefühl von Luxus wollen?
Es herrscht eine zunehmende Zweiteilung, im Fachbegriff „Dichotomisierung des Marktes“ genannt. Auf der einen Seite gibt es einen Trend hin zu Luxus, hin zu hochwertigen Premium-Marken, auf der anderen Seite hin zu preisgünstigeren Marken und zum sogenannten smart-shopping: Für die einen ist es Notwendigkeit, für die anderen ein gesellschaftlicher Sport, beim Einkauf gewisser Produkte Geld zu sparen, unabhängig davon, ob man es nötig hat.
Gibt es überhaupt noch abgrenzbare Zielgruppen?
Die Zielgruppen, die man in den 50er Jahren abgrenzte, also beispielsweise Arbeiterklasse, Mittelschicht und so weiter, sind unwiederbringlich passe. Der Kunde wird immer unberechenbarer, und läßt sich größtenteils nur noch nach psychologisch-motivationalen Kriterien fassen, und auch das nur noch situativ: das heißt, Menschen, die bei der Wahl ihrer Automarke einer Zielgruppe angehören, können bei der Wahl ihrer Zigarette schon wieder in getrennten Gruppen sein, und bei ihrer Jeans schon wieder.
Bei Jugendlichen gibt es aber doch abgrenzbare Gruppen.
Die Jungen waren schon immer die größten Markenfetischisten. Alles, was nach außen sichtbar ist, also Klamotten und so weiter, hat bei der Jugend eine ganz besondere Bedeutunmg. Gegebenenfalls in der Schule die falsche Rucksackmarke zu tragen, also keinen Eastpak zu haben, kann schlimmer sein, als sitzenzubleiben. Interview: Barbara Dribbusch
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