Kommentar: Alternativlos
■ Unsinniger Streit um das Amt des Präsidenten der Europäischen Zentralbank
Wird Wim Duisenberg nun Präsident der Europäischen Zentralbank, oder bleibt Frankreich doch bei seinem Veto? Man kann wohl davon ausgehen, daß er es wird. Die aufgeregten französischen Dementis sind Teil eines Pokers. Paris will den Preis für sein Einlenken noch etwas hochtreiben. Spätestens zum 2. Mai, wenn die Euro-Teilnehmer an den Start gehen, werden sie auch Duisenberg küren. Aber was geht uns das an? Wird der Holländer Duisenberg eine andere Geldpolitik machen als der französische Kandidat Jean-Claude Trichet? Sicher nicht. Beide sind knochenharte Monetaristen, denen die Bekämpfung der Inflation über alles geht, auch wenn weit und breit keine Inflation zu sehen ist. Beide haben als Notenbankchefs in ihren Ländern dieselbe Politik gemacht wie die Bundesbank.
Wer Herrn Tietmeyer gut findet, wäre mit Trichet so gut bedient wie mit Duisenberg. Warum dann der ganze Zoff? Weil dem französischen Präsidenten die ganze Währungsunion schon viel zu deutsch ist und er deshalb mit seinem Veto noch ein Signal setzen wollte. Schließlich galt Duisenberg lange als originalgetreue Kopie von Tietmeyer. Und weil Kohl in seinem Land eine Stimmung ausgemacht hat, nach der einem Franzosen in Geldfragen nicht zu trauen sei. Trichet hat den falschen Paß und deshalb keine Chance.
Bei der Währungsunion wird stets auf Nebenschauplätzen gefochten. Das war schon beim Streit um die Haushaltsdefizite so, obwohl die Stabilität der künftigen Währung damit wenig zu tun hat. Gemeinsame Umwelt- und Sozialstandards dagegen wurden gar nicht mehr diskutiert. Dabei wären gerade sie notwendig, damit der schärfere Wettbewerb zwischen den Euro- Ländern nicht zu einem Wettlauf um die billigsten Produktionsbedingungen führt.
Die meisten Euro-Kritiker sind den Regierungen auf den Leim gegangen. Sie haben sich an der Unabhängigkeit der Zentralbank und an dem Abbau der Staatsverschuldung festgebissen. Beides wollten die Regierungen ohnehin. Über gemeinsame Regeln bei Beschäftigung und Umweltschutz wollten sie nicht nachdenken. Dazu hätte man sie zwingen müssen, und zwar auf die gleiche Weise, wie die Stabilitätskritiker immer schärfere Sparmaßnahmen erzwungen haben. Aber die wenigen Stimmen waren zu schwach. Ob Duisenberg Präsident der Zentralbank wird, ist unwichtig. Alois Berger
Bericht Seite 9
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