: Keine Hexenjagd
■ Verfassungsschutz und Innensenator warnen vor Geheimdienst der Scientologen
Nicht Kirche, sondern „multinationaler, streng hierarchisch aufgebauter und totalitär ausgerichteter Psychokonzern“: Nach einjähriger intensiver Beobachtung durch den Hamburger Verfassungsschutz warnt dieser vor der Scientology-Organisation. Geheimdienstchef Reinhard Wagner und Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) präsentierten am Gründonnerstag eine Broschüre, in der erstmals der „schlagkräftige Geheimdienst- und Propagandaapparat“von Scientology beleuchtet wird, durch den die „totalitären und extremistischen Ziele“durchgesetzt werden sollen. Ihr Fazit: „Wir müssen schonungslos aufklären.“Verbieten will Wrocklage Scientology indes nicht.
Auch wolle man keine „Hexenjagd“veranstalten. Die einfachen Mitglieder wolle er nicht diskreditieren, im Gegenteil: „Denen stehen wir mit Rat und Tat zur Seite.“Anders sehe es mit den Funktionären aus, insbesondere mit deren Geheimdienst, dem „Office for Special Affairs (OSA)“.
Der Bericht darüber liest sich, als wären Passagen daraus einem Agentenfilm der 50er Jahre entnommen. Zur „Abwehr der inneren und äußeren Gegner“würde mit Mitteln der psychologischen Kriegsführung und geheimdienstlichen Methoden wie Spionage und Spionageabwehr gearbeitet, im „Grenzbereich zur Illegalität“operiert und auch nicht vor „kriminellen Aktionen“zurückgeschreckt. Nach einem „Freiwild-Gesetz“könne jedem Scientology-Kritiker das Vermögen entzogen und beliebig Schaden zugefügt werden.
Nach Einzelbeispielen befragt, wurden Wagner und Wrocklage allerdings etwas wortkarger. Nein, Straftaten von Scientology seien nicht bekannt. Auch würde akut „keine wirkliche Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“bestehen.
In seiner Not, die Frage beantworten zu müssen, ob durch die Beobachtung von Scientology nicht der Wegfall politisch extremistischer Organisationen kompensiert werden und der Verfassungsschutz sich selbst erhalten wolle, verstieg Wrocklage sich gar zu dem Vergleich: „Als Hitler in den 20er Jahren ,Mein Kampf' geschrieben hat, hätte man auch vorgewarnt sein müssen.“ Elke Spanner
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