■ Querspalte: Ist der denn schon tot?
In meiner Teenagerzeit waren die 68er noch Underground- Stars, von denen man lernte: daß Sex okay ist, daß Randalieren Spaß macht, daß man jeden Tag kiffen und Beatmusik hören sollte etc. Das hat man beherzigt und hätte die „68er“ damals auch gern kennengelernt.
Nun saßen und standen die zur Feier ihrer selbstgemachten Zeitung am Karfreitag im taz-Lokal rum, und man war leider zu betrunken und bekifft, um mit ihnen zu sprechen. Außerdem war die Beatmusik – die größten Hits der 60er, 70er und 80er – viel zu laut. Kurzzeitig versuchte das ein revolutionärer Sprechchor mit der Forderung „leiser“ zu unterbinden. Später kamen zwei Bullen. Kicher, kicher.
Alles original 68. Nur einer nicht. Der war nicht da. „Joschka Fischer trat durchs Nadelöhr der grünen Partei in die Jetztzeit ein“. „Der Lordsiegelwahrer der Revolte“, „ein Krieger der Demokratie“ (taz) usw. Zwei Seiten für Fischer in der 68er-taz. „Ist der denn schon tot?“ fragt Bommi Baumann.
Der weißgewandete Rainer Langhans war hingegen da und gefiel mir am besten, denn der „Eso-Faschist“ hatte eine Minderheitenwiderspruchsposition unterschrieben, die sich gegen das „Gruppenbild mit Linken“ auf der Titelseite der taz aussprach, für das er gleichzeitig war. Klasse! Außerdem wirkte er im Radio verschüchtert, weil da so viele „Männer“ im Studio waren. „Du, ich kann mit diesem männerbestimmten Diskurs nichts anfangen“. Irgendwie toll, wie sich alte Sprachen konservieren. Man braucht keine Tonbänder, um das zu hören, da steht jemand und redet so!
Manfred Kock, Oberster Evangele hierzulande, erklärte zeitgleich, der Kinoerfolg „Titanic“ zeige eine morbide Sehnsucht nach dem Ende. Doch: „Christus ist auferstanden. Diese Osterbotschaft haben wir der Titanicbegeisterung entgegenzusetzen.“ Die „68er“ sind auch davon überzeugt, daß Dieter Kunzelmann nicht in echt tot ist. Man hoffte, daß er passenderweise Ostern wiederauftauchen würde. Wie früher. Tat er aber nicht. Was zu denken gibt. Detlef Kuhlbrodt
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