„Dumpfes Gefühl“

■ Hamburger Buchhandlung vertreibt neu aufgelegtes antisemitisches Buch von 1931

„Dumpf fühlt man, daß der Arabismus und Romanismus, zu dessen Trägern sich die Juden gemacht haben, den Untergang des Abendlandes herbeiführen.“Solche und ähnliche Antisemitismen veröffentlichte Ludwig Thieben 1931 in seinem Buch Das Rätsel des Judentums. Jetzt ist das Werk neu aufgelegt und wieder im Handel – beispielsweise in der Rudolf-Steiner-Buchhandlung für Anthroposophie an der Rothenbaumchaussee. „Es gibt keine Notwendigkeit, das Buch aus unserem Sortiment zu nehmen“, heißt es dort.

Das Werk sei die „bis heute einzige umfassende Darstellung des Judentums aus anthroposophischer Sicht“, argumentiert der Baseler Verleger Thomas Meyer, in dessen Perseus Verlag die Neuauflage erscheint. Daß Thieben „die Juden“als „blutveranlagt“und „schmarotzerisch“beschreibt, stört ihn ebensowenig wie dessen Behauptung, daß „der beste sich fortentwickelnde Teil des Judentums dem Deutschtum in Zukunft bei der Verwirklichung seiner wahren Aufgabe“beistehen könne.

Das Hamburger Auschwitz-Komitee forderte kürzlich zusammen mit der VVN und Pax Christi die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland auf, das Buch aus dem Handel zu nehmen. „Bisher haben wir noch keine Antwort bekommen“, erklärt Robert Levin vom Komitee. Zögernd nahm statt dessen die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz Stellung: „Das Buch enthält tatsächlich zum Teil diskriminierende Äußerungen“, gibt Vorstandsmitglied Donald Vollen zu. Da es „ansonsten aus einer grundsätzlich positiven Einstellung dem Judentum gegenüber geschrieben ist, möchten wir es aber nicht als antisemitisch bezeichnen“.

Zu einem anderen Ergebnis kam Prof. Ekkard Stegemann, Ordinarius am Theologischen Seminar der Universität Basel, in einer Expertise: „Thieben läßt kaum eine antisemitische und rassistische Verleugnung aus.“Die anthroposophischen BuchhändlerInnen, vermutet Robert Levin, „müssen sich wohl noch weitere Fragen gefallen lassen“. Andreas Speit