: Von Haiders Gnaden
Österreichs Präsident Klestil ließ sich im Wahlkampf von dem Rechtspopulisten Jörg Haider unterstützen ■ Aus Wien Ralf Leonhard
Als prominentester Wahlhelfer trat Richard von Weizsäcker am Donnerstag auf der Schlußveranstaltung von Bundespräsident Thomas Klestil auf. Begleitet von Blasmusikkapellen und dem halben Kabinett waren sie unter den Klängen von „O du mein Österreich“ in die imperialen Redoutensäle der Hofburg eingezogen. Klestil, der seit sechs Jahren in den ehemaligen Kaiserappartements als Bundespräsident residiert, ließ sich vom deutschen Kollegen a.D. bescheinigen, daß seine Kandidatur überparteilich und daher gut für Österreich sei.
überparteilichkeit ist das Zauberwort dieses kurzen Wahlkampfes. Von den fünf Kandidaten wurde einzig die Liberale Heide Schmidt von ihrer Partei aufgestellt. Die übrigen stehen für parteiübergreifende Gesellschaftsmodelle. So wird das neoliberale System durch den Baumeister und Millionär Richard Lugner vertreten, der mit dem Slogan, „Erfolg aus eigener Kraft“ antritt. Er finanzierte seinen Wahlkampf aus eigener Tasche, zieht über den großkoalitionären Parteienproporz in Politik und Wirtschaft her und kündigt an, als Staatschef kurzerhand von seinem Recht Gebrauch zu machen, die Regierung zu entlassen, wenn ihm etwas nicht paßt. Prominent wurde er als ständiger Gast in der Klatschsendung „Seitenblicke“ und dadurch, daß er schillernde Damen wie Sofia Loren, Fergie oder Raquel Welch zum Opernball einfliegen ließ. Magnet seiner Wahlauftritte war aber seine vierte Frau, Christine, vulgo „Mausi“, die als wortgewandte Einpeitscherin fungierte.
Ernsthafter erscheint die Kandidatur der evangelischen Superintendentin Gertraud Knoll, die durch Unterstützungserklärungen von Abgeordneten der Grünen, der SPÖ und des Liberalen Forums ermöglicht wurde. Die 39jährige Knoll tritt für mehr Wärme in der Politik ein und will die Sicherheit durch eine über die EU hinausgehende Außenpolitik statt durch einen Nato-Beitritt garantieren. Für viele Konservative ist es eine Horrorvorstellung, daß sie während eines Staatsaktes ihren Sohn Levi stillen müßte.
Was Knoll mit ihren drei Kindern an Mutterqualitäten zu viel hat, das fehlt der forschen Liberalen Heide Schmidt. Die Vollblutpolitikerin ist unverheiratet und kinderlos. Ihre Stärke ist das scharfe Argument. Deswegen war sie besonders aufgebracht, daß sich Titelverteidger Klestil in imperialer Manier einer Fernsehdebatte entzog. Vor sechs Jahren erreichte sie als Kandidatin der rechtspopulistischen FPÖ Jörg Haiders 16 Prozent gegen Klestil und den damaligen SPÖ-Kandidaten. Kurz darauf brach sie mit Haider und gründete das Liberale Forum.
Die Meinungsforscher sind sich einig: Alles andere als ein klarer Sieg Klestils wäre eine Sensation. Gertraud Knoll als aussichtsreichster Herausfordererin werden 15 Prozent prognostiziert, Heide Schmidt und Richard Lugner je fünf bis zehn Prozent, und der Rechtsökologe Karl Walter Novak, der für Umweltschutz und Neutralität eintritt, dürfte kaum über ein Prozent kommen.
Der 65jährige Karrierediplomat Thomas Klestil, der 1992 als Kandidat der christdemokratischen ÖVP in einer knappen Stichwahl zum Präsidenten gekürt wurde, hat es verstanden, nirgends anzuecken. Anders als die Damen Knoll und Schmidt hätte er keine Probleme, einen Jörg Haider als Bundezkanzler zu vereidigen. Als Dank verhilft ihm Haider durch eine ausdrückliche Wahlempfehlung zu einem sicheren Sieg in der ersten Runde. Denn auch die stimmenstärkste Partei, die SPÖ, hat auf die Nominierung eines eigenen Kandidaten verzichtet. Klestil habe sein Amt ordentlich erledigt, es gebe somit keinen Grund, seine Wiederwahl zu verhindern, heißt es. Nur die Parteilinke und die Gewerkschaftsfrauen rebellieren und empfehlen Gertraud Knoll.
Klestil hat sich durch eine konservative, unspektakuläre Amtsführung ausgezeichnet. Nach den Waldheim-Jahren, die Österreich in die diplomatische Isolation trieben, muß die Normalität als Erfolg anerkannt werden. Klestils einziger Skandal war die Trennung von seiner Frau Edith nach einer Affaire mit einer Ministerialbeamtin.
Auch diese Wahl wird die seit zwölf Jahren bestehende große Koalition nichts ins Schlingern bringen. Nach Konfrontationen in Sachen Nato-Beitritt und Verschärfung des Waffengesetzes ist die ÖVP wieder auf Kuschelkurs. Am Donnerstag stimmte sie im Parlament gegen ihren eigenen Vorschlag, den sofortigen Nato- Beitritt zu beantragen. Man wolle, hieß es, den Koalitionspartner nicht provozieren.
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