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Husch ins Körfchen!

Leben in der Bundesliga (XIV): Korfball ist streng gleichberechtigt, ideal als Schulsport und trotzdem recht unbekannt  ■ Von Ulrike Bohnsack

Wer Korbball, Faustball oder Prellball spielt, kann seine Fans zählen. Nur ein (Hand-)Ballspiel hat das Schicksal „Randsportart“ noch härter getroffen: Korfball. „Nein, nicht Korbball, Korfball – mit f!“ Der Satz gehört zum Spieler-ABC ebenso wie das Körbewerfen. Denn damit hat das Spiel natürlich doch zu tun. Korf ist das niederländische Wort für Korb. Gespielt wird aber nach eigenen Regeln und dazu mit Mädchen und Jungen. Überaus fortschrittlich dachte nämlich Lehrer Broekhuyzen, der Anfang des Jahrhunderts „Korfbal“ entwickelte. Koedukativ sollte sein Wettkampfspiel sein, und so bilden vier männliche und vier weibliche Spieler ein Team.

Das ist aber auch schon das Beste am Korfball, lästern Kritiker und haben dabei nicht nur die Spielerkluft (Röcke für die Frauen, Hosen für die Männer) im Sinn. Mit dem Ball laufen, dribbeln, den Gegenspieler berühren oder ihm den Ball aus der Hand schlagen – das alles ist verboten. Auch den Geschlechterkampf am Ball gibt es nicht. Jeder hat einen gleichgeschlechtlichen Gegenspieler. Athletische Dunks – Fehlanzeige, die beiden Weidenkörbe auf dem Spielfeld hängen zu hoch, 3,50 Meter genau. Dazu ist das Spielfeld in zwei Hälften geteilt. Jeweils vier AngreiferInnen und VerteidigerInnen stehen sich hier gegenüber. Daß sie ihre Spielhälften nicht verlassen dürfen, läßt das Spiel für unkundiges Publikum etwas undynamisch erscheinen.

Keine Action und kein Körpereinsatz, kann da Zuschauen überhaupt Spaß machen? Für die Holländer stellt sich diese Frage nicht. Dort ist Korfball Publikumsmagnet. Zehntausend wollten jetzt in Rotterdam das Hallenfinale um die Niederländische Meisterschaft sehen. Treten in Deutschland die Rekordmeister und Spitzenteams der Liga, Grün-Weiß Castrop- Rauxel und Adler Rauxel, gegeneinander an, kann der Hausmeister bei 200 bis 300 Zuschauern „ausverkauft“ melden. Und dabei ist die Stadt am Rhein-Herne-Kanal die Hochburg hierzulande. Ganz Verwegene bezeichnen Castrop- Rauxel gar als das Tauberbischofsheim des Korfballs. Nun stellen beide Vereine bis auf eine Spielerin die komplette Nationalmannschaft. Aber wer in Castrop weiß das schon, geschweige denn, daß die Korfballer der Stadt ein Abo auf den Meistertitel haben?

Seit Jahrzehnten liefern sich Grün-Weiß und Adler im Kampf um die Meisterschaft heiße wie einsame Duelle. In den 80er Jahren räumte Adler alles ab, was es auf nationaler Ebene zu holen gab, doch die 90er gehören klar dem Konkurrenten. Seit 91 stellt Grün- Weiß den Deutschen Meister, davor war Adler vierzehn Mal in Folge nicht zu toppen. „Streng genommen darf sich keiner mit dem Titel schmücken. Uns fehlt das fünfte Bundesland, um eine Deutsche Meisterschaft offiziell ausspielen zu dürfen. Auch eine Bundesliga im gängigen Sinne gibt es nicht. Wer sollte die auch bezahlen? Korfball ist für SpitzenspielerInnen ein echtes Zuschußgeschäft.“ So beklagenswert Ulrich Augat, in Personalunion Trainer von Grün-Weiß, U 23-Nationaltrainer und Assistent des Bundestrainers, das Schattendasein seines Sports findet, es ist zwecklos darüber zu lamentieren, warum sich der Verein nicht Deutscher Meister, sondern nur Deutschlandcup-Sieger nennen darf. Wer den höchsten nationalen Wettkampf gewinnt, spielt mit anderen europäischen Meistern um den Einzug in den Eurocup. Und das tut Grün- Weiß auch nächste Saison.

Zwar muß der Meister der Westfalenliga im Mai noch gegen die Vertreter aus Hamburg, Niedersachsen und Berlin ran, „aber das ist wirklich reine Formsache. Die Castroper Vereine sind denen weit voraus. Grün-Weiß ist Deutscher Meister, da müßte man schon den Korb zunähen, um das zu verhindern.“ Nach dem dritten Platz beim letzen Eurocup träumt der Verein nun davon, den belgischen Meister vom bislang ungefährdeten zweiten Platz stoßen zu können. Die Erfinder aus den Niederlanden, da macht sich keiner Illusionen, werden auf Jahrzehnte unerreicht bleiben.

Unerfüllt bleibt wohl auch der Wunsch, eine ähnliche Leidenschaft für den Korfball entfachen zu können wie in Holland, wo 100.000 VereinsspielerInnen gemeldet sind. Rund 1.400 sind es in Deutschland. „Dabei ist Korfball ein idealer Schulsport und läuferisch, taktisch und technisch sehr anspruchsvoll. Aus zehn Metern den Korb, der ja kein Brett hat, zu treffen, ist für gute Spieler normales Niveau. Einen Dreier gibt's dafür nicht. Ein Korb, ein Punkt“, kann sich Augat den Seitenhieb auf Basketball nicht verkneifen.

Bis Korfball den Durchbruch schafft und nicht mehr mit Korbball verwechselt wird, bleibt der Titelkampf weiter eine Privatsache zwischen Grün-Weiß und Adler. Die Nationalmannschaft wird, wie jetzt im April, weiter unter Ausschluß des öffentlichen Interesses an Europameisterschaften teilnehmen, und die Vorurteile werden weiterleben: Spiel für Lahmärsche, Partnerübung mit Ball, Eheanbahnungsinstitut... husch, husch ins Körfchen!

Fußball kennt jeder. Die taz-Serie untersucht: Wie lebt es sich in anderen Bundesligen? Zuletzt erschien Frauen-Fußball am 31. März.

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